Das Mario Kart Franchise ist im Endeffekt der legendäre Fun-Racer und läuft auch irgendwie ausserhalb jeglicher Konkurrenz. Mit Mario Kart 8 und dem darauffolgenden Deluxe-Teil (Wii U und Nintendo Switch) markierte der japanische Videospielgigant einen wahren Meilenstein der Serie und erreichte einen Peak, den kein anderes Game dieser Art je erreicht hat. Lässt sich das mit Mario Kart World exklusiv für die Nintendo Switch 2 nun übertreffen? War die Open World dazu nötig und war es auch der richtige Schritt? Ich habe inzwischen mehr als 40 Stunden im Titel verbracht. Alle Cups, K.O.- und Zeitrennen in den höchsten Rängen und Auszeichnungen (Triple-Star-Trophy) abgeschlossen, viel Online gespielt und bin mittlerweile auch mit meinem Latein am Ende.
Inhaltsverzeichnis
Neue Open World mit vielen Details zum Anschauen, aber nur wenig Inhalt
Was Mario Kart World vor allem auszeichnet, ist seine neue Open World. Klar, World steckt ja auch im Namen des Spiels. Ihr könnt in einem abgesteckten, riesigen Gebiet einmal so richtig Gas geben und quasi vom feurigen Nordwesten der lavarigen Bowserfestungs-Strecke in den eisigen, schneebedeckten Osten fahren. Dazwischen liegt noch ein tropischer Dschungel mit riesigen Bäumen und die allgemeine Inszenierung ist wirklich bombastisch. Durch die comichafte Grafik wirkt alles so schön plastisch, positiv surreal und eben Super-Mario-typisch bunt und fröhlich. Zufällig generierte Toads und Yoshis in unterschiedlichen Farben werden euch auf die Strecke geworfen und wandern mit Rucksäcken von Piste zu Piste, zumindest wenn diese in Sichtweite sind. Auch begegnet ihr ab und an CPU-Fahrern in ihren Fahrzeugen und so kann es schon einmal vorkommen, dass eine Princess Peach und ein Mario auf Marios Piste um die Wette heizen, ohne dass ein echtes Rennen stattfindet.
Dabei verliert sich das Spiel positiv in witzige Details. Im Dinosaurier-Land könnt ihr Flugsaurier und sogar einen T-Rex auf die Strecke stapfen sehen. Im Wasserpark nahe dem Hafen der Stadt im Osten finden sich Delfine oder riesige Cheep Cheeps, die im Wasser kleinere Stunts hinlegen. Das sorgt in den ersten Momenten des Erblickens für Staunen und die Entdeckungs-Tour macht auch einfach anfänglich Spass. In der grösseren Stadt im Südwesten der Karte finden sich beispielsweise Bushaltestellen, an der Toads auf den Einstieg warten und wenn ein Bus dort hält, machen sie das auch. Das ist schon niedlich und zeigt, dass sich das Team von Nintendo rund um die Details schon ordentlich Mühe gegeben hat.
Bilder: PocketPC.ch / Laser
So richtig lebendig fühlt sich die Open World aber dann doch nie an. Das liegt auch einfach daran, dass es an Interaktionen im Allgemeinen fehlt. Die im Spiel per Zufall generierten Charaktere laufen immer nur eine kurze Strecke ab und verschwinden nach Verlieren des Sichtkontakts auf längere Distanz. Man sieht im Endeffekt immer das gleiche, egal wo man lang fährt. Selbst mitten in den Wüsten laufen zufällig generierte Yoshis und Toads herum und überall fahren auch die gleichen Autos, Laster und anderes Zeug. Es ist mehr Hintergrundrauschen als wirklicher Effekt.
Zwar sind die riesigen Sandwürmer, Wasserdrachen, Delfine und mehr wirklich spektakulär, aber das sind sie auch nur ein- oder zweimal. Das gilt im Endeffekt für die gesamte Welt. Nichts ist organisch, alles ist statisch und folgt einem simplen, generativem Muster.
Das P-Switch-Drama und hunderte von gleichen Sammelobjekten
Dadurch wirkt die Open World von Mario Kart World chronisch leer und es gibt eigentlich kaum etwas zu tun. Jetzt werden vermutlich einige sagen: “Hä? Aber es gibt doch P-Switch-Missionen, Peach-Münzen und Fragezeichen-Felder!”. Ja, und wenn man einmal ehrlich ist, sind das drei Dinge, die nach Schema-F einfach abgefahren werden. Ihr fahrt nur die Open World ab, um Peach-Münzen einzusammeln und Fragezeichen Felder zu berühren. Hunderte von ihnen sind in der Welt verstreut. Wer schon einmal 50 Federn in Assassins Creed sammeln musste, um das Spiel zu vervollständigen, wird vermutlich traumatische Flashbacks erleben. In Mario Kart World zeigt sich das im Test noch eine Spur eintöniger. So wird Mario Kart zum Grinding Game und das ist nicht gut.
Ein eher langweiliges Stück Sammelarbeit verpackt in
- 394 P-Schalter (kein Scherz)
- 200 Peach-Münzen
- 150 ?-Felder
Zwar sind die P-Switch-Missionen ein kurzweiliger Zeitvertreib. Bieten aber im Grossen und Ganzen auch nur die gleichen Missionen im Mario Kart World: Stunts, blaue Münzen einsammeln, Skillchecks für Fliegen und Fahren und diversen Hindernissen ausweichen. Gelegentlich ist auch ein kleines Rennen dabei. Und das alles in unterschiedlichen Variationen. Und wisst ihr wie viele es davon gibt? Fast 400 Stück! Das ist auch in der Menge der Variation einfach unglaublich ermüdend. Da es neben diesen drei Hauptaufgaben einfach rein gar nichts gibt, was ihr wirklich in der Welt von Mario Kart tun könnt, wird diese nach den tollen Ersteindrücken einfach auch sehr schnell langweilig.
Richtig blöd wird es aber dann, wenn ihr auf die sehr leere Karte von Mario Kart World schaut. Dort wird euch nicht angezeigt, wie weit euer Fortschritt ist oder wie viele Elemente ihr in einem bestimmten Bereich schon abgeschlossen habt. Es gibt so gut wie gar keine Informationen über irgendetwas. Lediglich beim Anvisieren der Strecken mit dem Curser seht ihr, welche ?-Felder man bereits auf den Strecken gefunden hat. Mehr aber auch nicht. Gerade bei über 740 Sammelobjekten wäre das doch essenziell gewesen, irgendwelche Anhaltspunkte zu haben. Immerhin wird euch angezeigt, wie viele der Sachen ihr schon gesammelt habt. Wie viele es insgesamt gibt, aber eben nicht. Dafür dass die Open World ein so grosses, neues und zentrales Feature von Mario Kart World ist, ist dieses wirklich sehr Feature-los.
Kein Anreiz in der Open World: Eine verlorene Chance und tausende von Sticker
Und dann ist es auch einfach so, dass es in der Open World nicht wirklich etwas zu gewinnen gibt. Das Einzige, was ihr sammeln könnt, sind kleine Sticker, tausende von ihnen (insgesamt 1054!), die komplett belanglos auf eure Karren geklatscht werden können. Und ihr könnt auch einfach nur einen einzigen Sticker an eure Autos und Motorräder anbringen. Es ist immer nur einer aktiv, der auf den meisten Fahrzeugen noch nicht einmal gut zu erkennen ist. Im Eifer der Rennen ohnehin nicht. Ich mein, was soll das bitte? Nintendo ist doch sonst immer ein sprudelnder Quell an Kreativität? Gerade Mario Kart 8 Deluxe strotzt nur so vor unterschiedlichen, freischaltbaren Dingen. Was ist hier bitte passiert? Hat man die Kreativ-Abteilung in Kyoto entlassen?
Da es aber auch bei den Fahrzeugen keinerlei Teile mehr gibt, mit denen ihr eure Karts modifizieren könnt, um die Fahreigenschaften zu verändern, gab es wohl auch nur wenig Auswahl, euch mit tollen freischaltbaren Sachen bei Laune zu halten. Diese wären aber dringend nötig gewesen. Oder zumindest deutlich mehr unterschiedliche Fahrzeuge oder Skins für diese.
Warum gibt es nicht irgendwo auf der Mario Kart World noch Charaktere, die mir coole Quests in der Open World geben? Beispielsweise ein Yoshi, der im Meer an der Koopa-Beach-Strecke aus dem Wasser vor Cheep Cheeps gerettet werden muss. Oder vielleicht ein Toad, der mit Rucksack an den ?-Block-Ruinen wartet und mir eine Schatzkarte zu einem geheimen Raum innerhalb der Strecke zeigt und dort ein cooles Item auf mich wartet. Wenn wir schon mit Essenspaketen in der Welt neue Skins freischaltet, wären doch Quests mit Essenslieferungen eine tolle Ergänzung gewesen. Wir spielen hier schliesslich ein Racing-Game! Oder wenn schon so viele zufallsgenerierte Autos auf den Strassen unterwegs sind, warum nicht Quests für das Finden eines bestimmten Autos in den grossen Städten einbauen und dafür wieder neue Belohnungen erhalten.
Im Online-Modus hat Nintendo mit dem Patch auf Version 1.1.2 nun auch nochmal etwas verschlimmbessert: Im Zufalls-Modus für Rennen gegen andere Menschen online gibt es nun nicht mehr nur die regulären Rundkurse möglich, sondern auch die Verbindungsstrecken zwischen diesen. Wie langweilig! Und ich wollte mich schon in den Online-Mode flüchten.
Erschreckend finde ich, dass Nintendo erst noch bestätigt hat, dass Mario Kart World sogar schon für die erste Nintendo Switch in Entwicklung war. Das bedeutet also, dass dieses Game schon einige Jahre in der Produktion war. Nur aus Leistungsgründen war der Sprung in die neue Fun-Racer-Generation auf der ersten Switch nicht möglich. Dafür klappte es aber nun mit der Switch 2 und man verpasst einfach die Zeit zu nutzen, um eine stimmige Open World mit spassigem Inhalt zu kreieren. Das Spiel heisst einfach Mario Kart World und die Open World soll eigentlich das neue Vorzeige-Feature sein. Ich verstehe das beim besten Willen nicht.
Bilder: PocketPC.ch / Laser
Hervorragende Performance: Sowohl im Dock- als auch Handheld-Mode
Was Nintendo aber einmal mehr unter Beweis stellen kann, ist die grandiose Optimierung der hauseigenen Spiele. Mario Kart World ist hier im Test keine Ausnahme. Im Handheld-Modus löst das Spiel in 1080p auf und flimmert mit stabilen 60 Bildern pro Sekunde über die Mattscheibe. Diese liegen übrigens im Container der 120 Hertz und bieten so ein butterweiches Spielerlebnis. Auch die Grafik, Texturen und Sichtweite leiden nicht und bleiben nahezu identisch zum Docked-Mode in der Docking-Station.
Und auch dort weiss die Grafik zu überzeugen. Natürlich kann man hier keinen Unreal Engine 5-Titel erwarten. Es ist eben Nintendos Art, die quietschbunte und fantasievolle Optik auf ihre Weise zum Leben zu erwecken und das funktioniert hervorragend. Im Docked-Modus erreicht Mario Kart World eine Auflösung von 1440p und damit keine 4K. Das ist aber auch nicht schlimm, da das Bild durch den typischen Nintendo-Grafikstil stimmig und scharf bleibt. Zudem sind auch hier die 60 Bilder pro Sekunde nahezu “locked” und Ruckler fallen nicht oder nur sehr bedingt auf.
Aber der japanische Hersteller geht auch Kompromisse ein. So spart dieser in der Open World des Spiels teils ordentlich bei der Auflösung von Texturen ein. Das fällt in Mario Kart World vor allem dann auf, wenn ihr einmal auf der Strecke stehen bleibt und euch den Untergrund anschaut. Das ist jetzt auch offen gesagt nicht tragisch und dient wohl auch dazu, dem Texturstreaming bei den rasanten und schnellen Open-World-Fahrten etwas entgegenzukommen. Im Eifer des Gefechts ist das ohnehin nicht allzu stark sichtbar.
Interessant ist aber: Mario Kart World regelt die Bildrate im Fotomodus allerdings massiv herunter. Aktiviert ihr diesen, werden nur noch 30 FPS ausgegeben. Erst beim Verlassen des Fotomodus hebt das Spiel die Bilder pro Sekunde wieder auf 60 an. Das ist jetzt kein Beinbruch, aber schon ein wenig irritierend. Das war übrigens auch schon in Super Mario Odyssey so. Dieses nur als kleiner Hinweis.
Frustrierende Charakter-Auswahl, Skins und Fahrzeuge
Neben unendlich vielen Stickern gibt es aber dann doch ein paar andere Sachen freizuschalten. Das eine sind nach aktuellem Stand sind das 18 Charaktere, 29 Karts und Motorräder und satte 103 Skins. Das klingt erst einmal nach einer Menge, aber es sind auch viele Dopplungen drin. So haben sehr viele Fahrzeuge nahezu identische Fähigkeiten. Auch die Skins doppeln sich stark. Sehr viele Charaktere haben beispielsweise einen “Rennprofi-Anzug” oder eine “Motorradkluft”. Fan-Lieblinge wie Link gibt es in Mario Kart World übrigens nicht, dafür aber nun beispielsweise Cheep Cheep (der Fisch), eine Krabbe oder die Piranha-Pflanze. Auch einen selbsterstellten Mii könnt ihr nicht mehr einsetzen. Schade.
Aber der Frust fängt eigentlich schon im Charakter-Auswahlbildschirm an. Alle Skins, die ihr für die Figur im Spiel freischaltet, werden als Extra-Charaktere angezeigt. Bei insgesamt 103 zusätzlichen Skins ist das eine Menge Stoff zum scrollen und ihr könnt auch nur per Scrollen auswählen. Wer hat sich das bitte ausgedacht?! Warum kann ich nicht einen Charakter anklicken und mir werden dann alle verfügbaren, freigespielten Skins zur Auswahl angezeigt? Der Auswahlbildschirm ist genau aus dem Grund eine halbe Katastrophe. Da hilft auch das sporadische Sortieren der Charaktere in Mario Kart World nicht viel.
Das Freischalten von Skins erfolgt übrigens über Essenspakte in der Welt, die meist an Imbissbuden, Eisständen oder auf LKWs zu finden sind. Diese sind in der Welt verstreut und können sowohl in der Open World als auch in den Cups aufgenommen werden. Ihr braucht also nicht unbedingt die Open World dafür. Übrigens lassen sich sieben der versteckten Charaktere über die Cups freischalten. Die anderen elf müsst ihr mit dem Kamek-Item auf gut Glück erhalten. Das geht aber auch nur, wenn eure Gegner Kamek als Item einsetzen und ihr euch in den Rennen durch dieses verwandelt. Transformiert ihr euch dann in einen Charakter, den ihr noch nicht habt, wird dieser auch automatisch freigeschaltet.
Bei den Fahrzeugen in Mario Kart World ärgert es mich ein wenig, dass Nintendo hier auf Sparflamme fährt. Nicht weil es zu wenig Vehikel sind, auf keinen Fall. Aber in Mario Kart 8 Deluxe konntet ihr noch zig zusätzliche Items wie verschiedene Reifen oder auch Gleiter freischalten, die Auswirkungen auf das Fahrverhalten hatten. So war es möglich, das Fahrzeug weiter an den Fahrstil oder die Bedingungen der Cups anzupassen. Das ist nun gänzlich entfernt worden und es wäre doch irgendwie toll gewesen, wenn man über die Open World viel mehr hätte freischalten können als Sticker und Skins. Und an dieser Stelle macht es mich wirklich irgendwie traurig, dass hier eine Chance verpasst wurde Mario Kart World mit viel freischaltbarem Content zu füllen.
Lichtblick Cups und K.O.-Turniere – Allerdings auch viel geradeaus…
Was mich dann aber doch wieder abgeholt hat, waren die integrierten, klassischen Modi. Die Cups funktionieren in Mario Kart World im Test in gewohnter Manier, am Ende der Rennen die meisten Punkte zu haben und auch das neue “Battle Royale” ähnliche K.O.-Tour-System ist wirklich witzig. Hier treten 24 Fahrende gegeneinander an und es fliegen nach den Checkpoints die letzten vier Fahrzeuge raus. Die K.O.-Tours sind übrigens lange Rennen von einem Punkt zum anderen auf der grossen Open World und führen euch von Strecke zu Strecke. Es ist toll zu sehen, wie die Kurse und Umgebungen auf dem Weg vom Start bis zum Ziel zusammenhängen. Ein wirklich cooler Modus und eine tolle Neuerung zu den altbekannten Modi aus der Mario Kart “Welt” (pun intended).
Was mich persönlich aber dann doch gestört hat, war eine sehr nervige Eigenart dieser zusammenhängenden Strecken. So gibt es in den Rennen regelmässig lange, gerade Abschnitte. Fun-Racer wie ältere Mario Kart Titel sind eigentlich auf Action getrimmt, viele Kurven, farbenfrohe Umgebungen und Effekte, die einen quasi optisch dauerbefeuern und am Ball halten. Doch man fährt in Mario Kart World sehr häufig auch einfach nur geradeaus. Mit rund 24 Charakteren auf den Strecken bleibt es natürlich irgendwie chaotisch, aber auf den Nervenkitzel fast 30 Sekunden am Stück auf Platz 1 geradeaus zu fahren und darauf zu warten, dass blaue oder rote Schildkrötenpanzer kommen, darauf kann ich dann doch irgendwie verzichten.
Dass die Cups aber so laufen, ist der aktuellen Welt zuzuschreiben. Ihr fahrt hier nicht mehr klassisch drei Runden auf einer festgelegten Strecke, sondern in Mario Kart World fahrt ihr während der Rennen sogar von einer Rennbahn zur nächsten. Ich muss an dieser Stelle auch ehrlich gestehen, ich vermisse ein wenig die Rennen mit drei Runden oder mehr dann doch irgendwie. Immerhin: Zu Beginn eines Cups werden immer erst klassisch drei Runden auf einer Strecke absolviert. Erst danach geht es über ein Open-World-Rennen zur nächsten Strecke. So spannend ich die Wege von Strecke zu Strecke anfänglich fand, so müde wurde ich irgendwann über die teilweise sehr geraden Kurse. Immerhin könnt ihr in den Zeitrennen ganz klassisch eure drei Runden gegen einen Geist absolvieren. Sonst gibt es aktuell keinen Modus, der sich irgendwie wie klassisches Mario Kart anfühlt. Das mag ein Gewöhnungs-Problem sein, warm werde ich damit aber aktuell (noch?) nicht. Und nach über 40 Stunden will das schon was heissen.
Knackiger Schwierigkeitsgrad in Geisterrennen und Turnieren
Was mir persönlich wiederum gefallen hat an Mario Kart World, war die Art, wie man in den unterschiedlichen Offline-Modi an die Sache herangehen kann, was vor allem mit dem Schwierigkeitsgrad zu tun hat. Ihr könnt alle Cups auf Gold spielen, solange ihr am Ende der vier Rennen oder eben am Ende des K.O.-Turniers oben auf dem Treppchen steht. Aber für Fans, die es genau wissen wollen (und ich will es einfach immer sehr genau wissen), könnt ihr die Goldtrophäen auch als Triple-Star-Wertung holen. Dafür müsst ihr alle Rennen als Erstes die Ziellinie überqueren, ausnahmslos und in K.O.-Rennen sogar alle Checkpoints als Erstes erreichen.
Das ist vor allem in 150ccm alles andere als einfach, denn bei 24 Teilnehmenden innerhalb der Rennen regiert einfach das pure Chaos. Es kommt nicht selten vor, dass ihr mit Abstand kurz vor der Ziellinie nicht nur von einem blauen Schildkrötenpanzer getroffen werdet, sondern direkt danach noch einmal drei Rote einschlagen. Zudem ist das sogenannte Rubber-Banding in Mario Kart World auf einem anderen Level. Ihr könnt zwar etwas Abstand durch Skill herausfahren, aber dennoch kleben euch die Charaktere wie Kaugummi in einem haarigen Nacken (bitte nicht bildlich vorstellen) hinten an der Stossstange. Zudem sorgen 24 Fahrzeuge auf der Strecke dafür, dass sich die Chancen in Mario Kart World für die richtig “unfairen” Items massiv erhöhen. Für die Triple-Star-Trophäen müsst ihr ausnahmslos in allen Rennen und Checkpoints Erster werden. Ich kann gar nicht mehr aufzählen, wie oft ich Cups oder KO-Rennen auf 150ccm neustarten musste. Ihr solltet also eine hohe Frustrationsschwelle mitbringen, denn der Zufall ist in diesem Spiel besonders erbarmungslos und er richtet sich meist gegen uns und nicht die KI.
Besonders gefallen haben mir in Mario Kart World hingegen vor allem die klassischen Zeitrennen. Hier kommt es wirklich nur auf das fahrerische Können an. Kein Rubber-Banding, nur ihr und die Zeit sowie die Zeit eines anderen Spielers oder CPU-Gegners, eben je nachdem ob ihr solo fahren wollt oder gegen andere Geister. So lernt ihr die Strecken übrigens auch am besten kennen. Und auch wenn die voreingestellten Geistzeiten auf den ersten Blick schwer erscheinen, mit ein wenig Willen zur Übung ist das machbar. Knackig, aber eben nicht unmöglich und es macht wirklich eine Menge Spass, so das Fahrverhalten und die unterschiedlichen Vehikel/Charaktere-Kombis kennenzulernen. Und besonders wichtig: Es hängt hier definitiv nicht vom Glück ab, da es keine 24 Characktere gibt, die alle jeweils die Chance haben, euch kurz vorm Ziel vom Thron zu stossen.
Bilder: PocketPC.ch / Laser
Fazit: Mario Kart World hat das Franchise womöglich für immer verändert
Es tut mir ein wenig in der Seele weh um ehrlich zu sein. Aber gut, gehen wir es der Reihe nach durch. An und für sich ist Mario Kart World ein spassiges Spiel. Die Cups sind cool, die neuen K.O.-Tours sind ebenfalls witzig und eine interessante Ergänzung. Gerade die Cup- und K.O.-Modi sind trotz kleinerer Macken, wie eben das lange Geradeausfahren, gut umgesetzt. Das Zeitfahren gegen Top-Geister macht mir trotz der Härte am meisten Spass. Zudem kann auch die Open World in den ersten paar Stunden faszinieren. Besonders gut gefällt mir auch die Performance und Optik (trotz Texturschwächen), sowohl auf dem Display der Switch 2 als auch auf dem 4K-OLED-Fernseher zu Hause. Natürlich ist alles noch chaotischer als früher und dadurch auch stressiger, da hier nun 24 Charaktere auf der Strecke sind und man irgendwie absolutem Dauerfeuer ausgesetzt ist und das teilweise auch auf hart unfairem Niveau. Aber hey, im Endeffekt ist es halt “mehr Mario Kart”. So be it.
Allerdings hat sich Nintendo mit der sehr leblosen Open World, die erst einmal nur auf den ersten Blick fasziniert, eher keinen Gefallen getan. Bis auf massig von den immer gleichen Sammelobjekten gibt es in Mario Kart World einfach nichts zu tun. Belohnungen sind gefühlt Millionen von Sticker, die eh niemand auf euren Autos sieht. Gleichzeitig gibt es für das Erreichen gewisser Ziele im Spiel, wie beispielsweise 2000 km fahren, ebenfalls nur diese blöden Sticker. Ich hätte gerne so etwas wie Quests gesehen, echte “Points of Interessest”, einfach Dinge, die mich in der Open World halten und die echten Mehrwert bieten. Die ersten zwei bis drei Stunden in Mario Kart World sind dabei ganz witzig, aber danach wird es einfach langweilig. Somit ist das grösste neue Feature das liebloseste von allen neuen Modi. Oder man ist für das Grinding gemacht. Wer weiss?
Hinzu kommt, dass Nintendo sein eigenes, von Fans gefeiertes, Gameplay mit Mario Kart World einfach beschnitten hat. Es gibt keine Cups über 150ccm (vielleicht kommen die ja per Update nach?), Fan-Lieblinge wie Link wurden gestrichen und dann sind auch noch alle Items von früher weg, mit denen ihr eure Karren frisieren konntet. Keine Reifen, keine Gleiter mehr, die die Fahreigenschaften deutlich umbauen konnten und so wesentlich mehr Spielraum für echtes Min-Maxing geboten haben. Aber hey, ihr wolltet doch auch schon immer mal tausende von Sticker freischalten, oder? Oder?! Nur ein kleiner Negativ-Punkt, aber einer der nervigsten überhaupt: Der Charakter-Auswahlbildschirm ist einfach brutal schlecht. Wer immer auf die Idee gekommen ist, alle Skins als eigene Charaktere darzustellen, sollte im Namen der Gamer lebenslang beim Händewaschen die Pullover-Ärmel runterrutschen. In alle Ewigkeit!
Für ein Spiel, das bereits für die Switch 1 erscheinen sollte – Nintendo musste aus Leistungsgründen abbrechen – wurde die restliche Entwicklungszeit einfach nicht dazu genutzt, das neue Game mit tollen Features und Ideen auszustatten. Der Name, Mario Kart World, sagt es eigentlich schon, denn das grosse neue Feature soll ja auch die Open World sein und genau hier hapert es in meinen Augen am meisten: Sie ist einfach nur seelenlos umgesetzt und damit auch nicht das super tolle neue Feature. Im Gegenteil, es könnte belangloser und lebloser nicht sein in dieser Welt.
Versteht mich nicht falsch: Ich liebe Mario Kart über alles und habe in fast allen Teilen (Gamecube musste ich leider auslassen) hunderte von Stunden verbracht. Mein Hype-Train zur Ankündigung war riesig: “Endlich! Nach über elf Jahren ein neues Mario Kart!” Und nun stehen wir vor einem Spiel, das 89,99 Euro bzw. 89.90 Schweizer Franken in der physischen Version so viel kostet wie aktuell kein anderes Game auf dem Markt und in meinen Augen dem anfänglichen Hype nicht einmal ansatzweise gerecht wird. Wo sind bitte diese 90 Zähler gerechtfertigt?! Auch digital kommt Mario Kart World für 79.90 SFr. oder 79,99 Euro nicht wirklich in ein gutes Preis/Leistungsverhältnis. Wie eingangs erwähnt, macht Mario Kart World durchaus an einigen Ecken Spass, allerdings ist es weit von dem entfernt, was wir eventuell hätten bekommen können und zu diesem Preis eigentlich auch hätten bekommen sollen.
Schade, Nintendo. Schade.
Video: Nintendo