Man stelle sich vor: Jesus wird ans Kreuz geschlagen, stirbt allerdings nicht, sondern wird während des Vorgangs von Wut zerfressen und es bricht im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle auf Erden los. The Inquisitor ist ein Fantasy-Adventure-Rollenspiel im Stile der Bücher des polnischen Autors Jacek Piekara, dessen dunkle Fantasy-Bücher genau diese Richtung aufgreift. Wir haben das Spiel nicht nur am PC sondern im Sinne des Mobile Gaming auch auf dem Steam Deck ausprobiert.
Inhaltsverzeichnis
Fängt stark an, baut schnell ab! – Atmosphäre und Setting auf hohem Niveau
Ihr spielt den Inquisitor Mordimer Madderdin, der quasi als Kirchenpolizist im Jahr 1533 herum nach Königstein reist, um dort mysteriösen Vorkommnissen auf die Spur zu kommen. Der Empfang ist schon alles andere als freundlich und man merkt bereits im ersten Gespräch des Spiels mit den beiden Torwächtern der Stadt am Hafen: Eure Entscheidungen haben Einfluss. In der fiktiven Welt deckt ihr in The Inquisitor teils mystische Verbrechen und Rätsel auf. Ihr bekommt das dabei auch mit allerlei Zeug aus der Unterwelt zu tun und jede eurer Entscheidungen, sei es in aktiven Handlungen oder Antworten in Konversationen, haben teils unglaublich Gewicht und Einfluss auf den weiteren Verlauf des Spiels.
Das Gamingstudio The Dust hält sich hierbei recht locker an die Vorlagen der Dark-Fantasy-Bücher des oben genannten polnischen Autors und weiss diese auch recht gut zu erzählen. Die Storyline ist voller Wendungen und je nach euren Entscheidungen auch mit unterschiedlichen Wegen und Herleitungen gepflastert. Das bringt Wiederspielwert, wenn auch nicht im grössten Umfang. Es macht allerdings Spass, in diversen Dialogen auch einmal andere Antworten auszuprobieren. Szenarien, die man auch schon aus anderen, grösseren Rollenspielen kennt.
Allerdings verpasst das Studio hier, die Geschichte relativ Konsequent zu halten. Um nicht zu spoilern, gehen wir da jetzt nicht drauf ein, doch das anfängliche Hochschaukeln in der wahnsinnig dichten Atmosphäre und dem sehr interessanten gewählten Konzept weicht später immer mehr einem eher übertrieben ausuferndem Plot, der recht merkwürdig erscheint. Das ist schlussendlich schade, denn das Potenzial für einen richtig starken Erzählstrang hat diese Art von Genre und Setting allemal. Unterhaltsam ist es dennoch.
Das ist auch The Inquisitors grösste Stärke: Die wirklich sehr dichte Atmosphäre! Das Gefühl. in dieser Mittelalter-Stadt auf Detektivarbeit zu sein, ist auch bis in die hinterste Ecke zu spüren. Die Bewohner und Bewohnerinnen haben Angst, irgendetwas geht um und die Besetzung ist wirklich gut gewählt. Das spiegelt sich auch in der Synchronisation wieder. Die Darstellung ist hier ebenfalls on point und gibt euch hartes Mittelalter-Feeling in einer wirklich rauen und düsteren (Fantasy-)Welt.
Screenshots: PocketPC.ch / Laser
Kirchenarbeit als Sherlock Holmes – Gameplay schreit nach Quicktime-Events
Interessant und wirklich gut gelöst ist hier die Herangehensweise im Spiel. So habt ihr ein Tagebuch zur Hand, das euch allerlei Informationen anbietet. Sobald ihr Personen trefft und mit ihnen sprecht, kommen Einträge dort hinzu, die noch weitere Hinweise enthalten können. Diese sind häufig sehr wichtig, da sie auch zum Lösen der “unchristlichen” Kriminalfälle in Königstein dienen. Zudem steht euch eine “himmlische” Sicht zur Verfügung, die besondere Bereiche oder Items zeigt. Ähnlich wie der Fokus-Modus von Geralt aus The Witcher 3.
Weitaus weniger erfreulich sind allerdings die Abschnitte mit den Quicktime-Events (kurz QTE), denn das sind eine Menge! Gefühlt besteht das Spiel fast nur daraus, zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Knöpfe zu drücken und das ist auf Dauer ermüdend, was die Konzentration beim Zocken irgendwann in Stress ausartet. Versteht mich nicht falsch: ich liebe Quicktime-Events, wenn sie gut eingebunden sind. Die Uncharted-Serie oder die Yakuza-Reihe sind sehr gute Beispiele für eine gute Einbindung. Auch sind die paar Kämpfe im Spiel nur nettes Beiwerk und absolut nicht herausfordernd. Einige aneinander gereihte, leichte Schlagkombos reichen häufig aus, und das Übel liegt darnieder.
Und so toll ich es finde, dass einige Entscheidungen und Events auch Auswirkungen auf den Verlauf haben, so weniger optimal läuft es dann, wenn man vor Quicktimes gestellt wird, die einen festen Ausgang haben. Ein Beispiel ist hier eine Passage im Spiel, wo eine Person vor euch wegläuft. Egal was ihr hier macht, der Ausgang ist immer der gleiche. Ich habe das mehrmals ausprobiert. Es ist schade, dass so etwas dann nicht intensiver in das Story-Verhalten der Auswirkungen eingebunden ist. Und wenn es zu viele QTEs sind, steht man auch irgendwie unnötig unter Dauerstrom beim Spielen.
Übrigens könnt ihr seit dem Patch auf Version 1.1 in den Einstellungen die Quicktime-Events auf automatisch stellen und somit müsst ihr nicht einmal mehr einen Finger krumm machen, doch dann verkommt das Spiel durch die Masse der QTEs irgendwie auch zur selbstablaufender Slide-Show. Ich selbst habe keinerlei Probleme mit QTEs, wenn diese wirklich intelligent eingebunden sind und auch zur Situation passen. Sollte es euch etwas zu viel werden, könnt ihr immerhin diese nun “deaktivieren” bzw. automatisieren lassen. Was aber nicht das eigentliche Problem der Einbindung löst.
Grafik ist OK, technisch mit Aussetzern
The Inquisitor hat definitiv seine schönen Seiten. Das Game präsentiert sich in der Farbpalette stimmig und erzeugt eine sehr düstere Mittelalter-Atmosphäre, die mir persönlich sehr gut gefällt. Auch der Artstyle der Stadt und die einzelnen Passagen können echt überzeugen und tragen massgeblich zur bereits positives herausgehobenen Atmo bei.
Systemanforderungen | Minimum | Empfohlen |
CPU | Intel Core i5-8400 / Ryzen 5 2600 | Intel Core i7-7700K / Ryzen 7 2700 |
GPU | GTX 1060 6GB / AMD RX 590 | RTX 2070 / AMD RX 5700 |
RAM | 16 GB RAM | 16 GB RAM |
Speicherbelegung | 23 GB | 23 GB |
Betriebssystem | Windows 10 / 11 | Windows 10 / 11 |
Allerdings ist die Grafik in ihrer Gesamtbetrachtung eher auf einem sehr durchschnittlichen Level, was die Technik anbelangt. So sind beispielsweise viele Texturen im Verlauf des Spielens eher mittelmässig oder gar schlecht aufgelöst, obwohl die Einstellungen auf dem Maximum stehen. Auch kommt es zu Mikro-Rucklern beim Bewegen der Kamera in manchen Situationen, obwohl das Spiel auf einem High-End-System läuft. Getestet habe ich es auf einer Ryzen 7 7800x3D CPU im Verbund mit einer RX 7900 XTX und 32 GB RAM. Das ist im Verhältnis für ein eher “gemächliches” Spiel leider eher suboptimal. Hohe Bildraten erreiche ich zwar durchgehend, aber das Mikro-Ruckeln ist schon auffällig. Hier nochmals die Testsysteme die für das Spiel The Inquisitor zum Einsatz kamen:
Windows 11 Gaming-PC | Valve Steam Deck |
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Steam Deck mit Problemen
Zwar könnt ihr The Inquisitor auch auf dem Steam Deck installieren und spielen, doch hier zeigen sich dann noch mehr Probleme. Die bereits in maximalen Einstellungen gezeigte Grafik ist nicht auf einem hohen Niveau. Auf dem Steam Deck sind die niedrigsten Grafik-Settings zwingend erforderlich. Zudem rate ich für flüssige Bildraten zumindest zusätzlich noch Upscaling in Form von FSR einzuschalten, was die Bildqualität noch weiter mindert. Und selbst dann sind nicht immer 30 Bilder pro Sekunde dauerhaft drin, da es weiterhin zu Mikro-Ruckeln oder eben durch belebtere Passagen zu Einbrüchen auf rund 24 FPS kommt. Es ist nicht unspielbar, aber die Erfahrung ist leider nicht gut. Die Angabe für Works with Steam Deck ist deswegen auch nur auf “Playable”.
Im Nachfolgenden ein paar Screenshots aus der Version auf meinem Gaming-PC mit den Grafikeinstellungen auf den höchsten Werten. Die Texturen standen hierbei auf der Einstellung “Ultra”. Verschwommener geht es teilweise wirklich nicht. Nicht einmal das Material ist stellenweise zu erkennen. Andere Bereiche wiederum sehen stimmig aus, solange ihr ihnen nicht zu nahe kommt.
Screenshots: PocketPC.ch / Laser
Probleme mit Controller und Konfigurations-Speicherung
Was ebenfalls leider nicht gut gelungen ist, ist die Optimierung auf Controller. Das Spiel gibt einem zu Beginn direkt an, dass ihr besser ein Gamepad anschliesst, um optimaler Spielen zu können. Leider gibt es aber nur das Xbox-Button-Layout, welches übrigens auch das Steam Deck nutzt. Da ich aber eine PlayStation 5 Zuhause stehen habe, nutze ich am PC für bestimmte Spiele lieber meine PS5-Controller. Im Test von The Inqusitor konnte ich am PC kein Buttion-Layout für meinen Controller finden. Zwar hab ich die Steam-Deck-Belegung im Kopf, was mir das Spielen etwas erleichterte, optimal ist das aber nicht für ein Spiel, dass auf die Controller-Eingabe optimiert ist. Immerhin könnt ihr auch mit Maus und Tastatur ganz gut spielen.
Etwas schwerwiegender finde ich allerdings, dass neben eurem Spielstand auch die Grafik-Einstellungen mit in die Steam Cloud geladen werden. Als ich mit dem Spielen am PC fertig war und ich dann Abends noch im Bett eine Runde weiter testen wollte, hat mein Steam Deck den Cloud-Save inklusive der Grafik-Settings gezogen. Alles stand auf den höchsten Einstellungen und führte dazu, dass das Menü auf dem Steam Deck unweigerlich anfing zu ruckeln. Auch bin ich erst normal ins Game gestartet und war über die plötzliche Diashow sehr erstaunt. Das darf natürlich nicht passieren. Die Grafik-Einstellungen sollten lokal auf den Systemen bleiben, sonst führt das unweigerlich auf anderen Systemen zu Problemen.
Fazit: Richtig cooles Konzept leider ans Kreuz genagelt
Ich kann den Jesus aus der fiktiven Geschichte verstehen, der vor Wut zerfressen fast sprichwörtlich die Hölle auf Erden loslässt. Das Spiel nagelt sich an dieser Stelle einfach selbst ans Kreuz, dabei ist das Konzept erst einmal richtig, richtig gut gewählt. Eine sehr düstere Fantasy-Mittelalter-Atmosphäre mit einer richtig coolen Backstory und einer Verschwörung dunkler Mächte im Hintergrund. Unterstützt wird das von einem grandiosen Cast, der eine tolle Sprachausgabe liefert. Dass ihr hierbei auch noch eine Art klerikalen Sherlok-Holmes spielen dürft, ist ebenfalls wirklich gelungen. Das Potenzial für ein schickes Kracher-Gamer im AA-Segment ist also durchaus gegeben.
Es kränkelt aber an nicht gerade wenigen Stellen, um das hohe Niveau des durchaus vorhandenen Potenzials durchweg zu halten. Die horrend vielen Quicktime-Events sind irgendwann ermüdend und hinzu kommt, dass in einigen Fällen die Freiheiten durch diverse Antwortmöglichkeiten auch nur vorgegaukelt wird. Der Einfluss hält sich also in Grenzen. Dann steht dem Spiel auch noch die technische Umsetzung im Weg. Selbst auf High-End-Systemen ist ruckelfreies Spielen gefühlt fast unmöglich, die Texturen sehen häufiger eher matschig aus und auf dem Steam Deck solltet ihr lieber die Finger davon lassen.
Was bleibt also unterm Strich? Die Ambitionen waren vielleicht ein Tick zu hoch, aber ich werde auch das Gefühl nicht los, dass ein wenig mehr Zeit für all die schönen Ideen einfach nötig gewesen wären. Hätten wir jetzt ein Punktewertungssystem, wäre The Inquisitor für mich mit grossem Wohlwollen eine 6 von 10, einfach weil mich das Konzept der Geschichte und den damit verbundenen Möglichkeiten überzeugen könnte. Leider wird die Story aber nicht Konsequent durchdacht bis zum Schluss umgesetzt. Für eine echte Empfehlung reicht es daher nicht. Immerhin könnt ihr das Game ohne grossen Aufwand selbst testen. Im Steam Store ist eine kostenlose Demo des Spiels mit Altersempfehlung Ab 18 Jahren erhältlich.
Video: Kalypso Media