Gothic begründete im Jahr 2001 irgendwie schon sein eigenes Genre. Eine lebendige Fantasy-Welt im Open-World-Stil, die selbst atmet, sich verwaltet und jede Menge Freiheiten ermöglicht. Das Spiel war damals sensationell und ein Meilenstein der Videospielgeschichte. Selbst die Metal-Folklore-Band In Extremo hatte einen Gastauftritt im “Alten Lager”. Nun kommt das Spiel eins zu eins portiert, nahezu unverfälscht und mit einigen für die Konsole brauchbaren Anpassungen auf die Nintendo Switch Hybrid-Konsole. Doch die ersten zwei bis drei Wochen waren nicht leicht und der Publisher THQ Nordic macht sich mit kruden Aussagen das Leben selbst noch schwer.
Daher erst einmal ein kleiner, aufklärender Meinungsbeitrag in wenigen Absätzen vorangestellt zur Kommunikation der Gaming-Branche und was hier einfach nicht hätte passieren dürfen.
Inhaltsverzeichnis
THQs “Katastrophen”-Management ist selbst eine “Katastrophe” (Meinung)
Gleich zu Beginn möchte ich in den ersten Absätzen eine Praktik von Publishern ansprechen, die THQ Nordic zwar nicht alleine für sich beansprucht, aber leider mittlerweile desaströse Ausmasse annimmt. Die offizielle Kommunikation des Publisher mit der Presse rund um Gothic 1 war in der Neuauflage als Gothic Classic alles andere als gelungen und kann in dieser Form auch nicht weiter gehen. Hier geht eine Menge Glaubwürdigkeit und Vertrauen auf hoher Basis verloren, was vor allem mich als riesiger Fan von Piranha Bytes und deren damaliger Rollenspiele unheimlich frustriert.
Als Gothic Classic für die Switch erschienen ist, war es teilweise unspielbar kaputt. Wer also auf kritische Bugs stiess, konnte das Game nicht mehr durchspielen und musste von vorne anfangen. Nicht wenige der Fehler liessen sich sogar in neuen Spielständen reproduzieren! Ich kann nicht einmal aufzählen, wie viele Spielstände das Game während meines Tests zum Release vernichtet hat. Die KI funktionierte nicht und Gegner standen einfach nur mitten im Land regungslos umher. Teilweise funktionierten Quests nicht, denn sobald man einen Spielstand geladen hat, NPCs in himmelhohen Höhen spawnen, um dann fallen gelassen zu werden und dann einfach beim Aufprall starben. Ist dabei ein wichtiger Charakter mit einer Hauptaufgabe gewesen, war der Spielstand kaputt. Nahezu alle Medien, die das Spiel getestet hatten sprachen die Probleme mit Gothic 1 auf der Switch an und zurecht wurde es als ein wirklich schlechter Port bezeichnet. Es war immerhin der Release-Zustand des Spiels, für den man Geld bezahlte – und zwar für einen Volltitel! Und wenn ein Spiel Fehler enthält und diese auch noch teilweise zur Unspielbarkeit führen können, sollte transparent drüber berichtet werden.
Jetzt finde ich es ja löblich, wenn THQ Nordic sich vor sein Team stellt und dieses auch verteidigt. Aber THQ hat in einer eigenen Stellungnahme zum Port die herausgestellten Fehler der Medien als “Katastrophen-Berichterstattung” und als “völlig überzogen” bezeichnet. Laut der Meldung wären es “ärgerliche Bugs”. Was zur Hölle ist das bitte für eine Aussage?! Das ist an Zynismus kaum noch zu überbieten. Man bringt ein Spiel erneut auf den Markt, das offensichtlich in einem “katastrophalen” (das Wort fällt noch öfter) Zustand war und beschwert sich darüber, dass die Magazine und Content Creator genau dieses feststellen und belegen? Wenn etwas eine Katastrophe ist, dann ist es vor allem die Tendenz, Spiele in katastrophalem Zustand zu veröffentlichen und dann ein Fass auf zu machen, wenn diese katastrophal bewertet werden. Auch ich habe schwerwiegende Bugs gehabt, Spielstände verloren, unreparierbare Glitches ausgelöst, konnte mit dem Bogen keine Pfeile abschiessen, Leitern waren nicht begehbar und hatte gleich sechs Lesters (eigentlich ein wichtiger Haupt-NPC im Spiel, von dem es nur einen geben darf) im Sumpf-Lager nackt am herumlaufen gehabt. Das sind nicht mehr nur “ein paar ärgerliche Bugs”. Das machte das Spiel kaputt.
Die Videospielebranche ist aktuell nur schwer zu ertragen, wenn immer wieder Games kaputt auf den Markt kommen, was in den vergangenen Jahren immer mehr zum Regelfall wird. Noch weitaus schwieriger zu ertragen, ist dann oftmals die Kommunikation und wenn dann auch noch eine komplette Umkehr der Story betrieben wird, sind wir auf einem Level angekommen, das viel Vertrauen in die Zukunft der Branche und der einzelnen Hersteller beschädigt. Bringt einfach Spiele spielbar auf den Markt oder falls mal etwas schief geht, dann reicht es auch die Sache kurz klarzustellen und mit einem nächsten Patch wäre es dann auch gegessen gewesen. Über auftretende Fehler beschweren sich oft die wenigsten. Meist sind es eher die Game-Breaking-Bugs, die wirklich für Aufsehen sorgen. So hat das alles einen wirklich sehr faden Beigeschmack.
Schlussendlich halte ich THQ Nordic zugute, dass überhaupt etwas passiert ist und dieses auch angekündigt wurde. Sie haben reagiert und die Fehler im Spiel auch eingestanden. Zudem hat man der Beseitigung der Bugs eine hohe Priorität eingeräumt und sehr schnell auch mit einem Patch reagiert. Dieses Desaster aber damit zu beschönigen, dass die Medien eine “Katastrophen-Berichterstattung” veranstaltet hätten und alles völlig überzogen gewesen wäre, ist keine gelungene Kommunikation. Einfach zu sagen “Oh Mist… ‘tschuldigung! Patch ist unterwegs, dann funktioniert es wieder” hätte gereicht und jeglicher Kritik den Wind aus den Segeln genommen. Zu sagen, alle würden übertreiben und hätten Unrecht, ist einfach nie eine gute Idee.
Aber nun endlich zum Testbericht der gepatchten Version 1.0.2 von Gothic Classic für die Nintendo Switch, die durchaus viel Lob verdient hat! Und daher mache ich nun mit den wirklich tollen Dingen weiter.
Leichte Anpassungen bei der Grafik und einem Grossteil der Spielerfahrung
Das nostalgische Rollenspiel von Piranha Bytes war damals natürlich nur für Tastatur und Maus ausgelegt. Mit Controller wurde auf dem PC eher weniger gespielt. Daher wurde die Steuerung erst einmal auf den Controller angepasst und zwar so intuitiv, wie es eben bei Gothic irgend möglich ist. Einfach war das definitiv nicht, denn schon allein das Gefühl damals am PC mit Tastatur und Maus war eher behebig, aber die Steuerung macht einen enorm guten Eindruck und schafft es auch den behebigen Charme der vergangenen Tage abzubilden. Nicht zu vergleichen mit aktuellen Rollenspiel-Titeln auf Nintendos hybrider Konsole.
Weitere Anpassungen betreffen vor allem das Menü und das Inventar. Letzteres wird nun in mehreren Reihen angezeigt und muss nicht mehr in einer einzelnen Reihe senkrecht durchgescrollt werden. Weiterhin gibt es Schnelltasten für den Zugriff auf Zauber und Tränke und für die beiden Waffen-Slots. Auch das 16:9-Format der Nintendo Switch wird gut unterstützt und die Auflösung ist im Handheld-Modus nativ an die Display-Auflösung von 720p und im Docking-Modus in 1080p für den Fernseher angepasst.
Insgesamt sind viele der Änderungen und Anpassungen stellenweise richtig gut. Grad das früher sehr chaotische Inventar, das zwar auch hier immer noch etwas fummelig bleibt, aber nun wesentlich besser zu navigieren ist, ist schon regelrecht ein absoluter Segen in diesem Spiel. Auch die sehr gute Umlegung auf den Controller insgesamt gefällt mir persönlich in Gothic Classic sehr gut. Auf dem Steam Deck musste ich das Layout noch einige Zeit lang etwas anpassen, um eine sehr gute Steuerung zu erhalten. Man merkt aber auch auf der Switch recht schnell, dass Gothic 1 ursprünglich für Tastatur und Maus entwickelt wurde.
Screenshots: PocketPC.ch / Laser
Richtig gut gefallen hat mir übrigens auch die leichte Überarbeitung der Texturen. Das Spiel wirkt dadurch etwas schärfer. Das erinnert alles ein wenig daran, als ob hier viele der Änderungen aus der Community Einzug in die Retail-Version des Gothic Classic für Switch gefunden haben. Denn auch Jahre nach Release der Original-Fassung des PC-Spiels haben Fans eigene Patches und Mods entwickelt, um viele der heftigen Bugs auszuräumen, die das Game in seiner Ur-Version ebenfalls hatte. Auch an der Graphik wurde damals schon geschraubt.
Die leichten optischen Änderungen, die sehr gute Anpassung an die technischen Gegebenheiten der Switch, eine stark umgesetzte Controller-Steuerung legen hier sehr wichtige Grundsteine für eine überragende Nostalgiereise, nicht nur für Fans, sondern vor allem auch für Neueinsteigende, die sich ein Stück Videospielgeschichte auf die heimische Flimmerkiste zaubern wollen.
Story rund um Myrtana und Khorinis Grundstein für Gothic
Das Konstrukt rund um die Geschichte von Gothic (in allen Teilen) bleibt auch in 2023/2024 noch spannend: Das Land Myrtana befindet sich im Krieg mit den Orks, vor allem weil es um die Insel Khorinis geht, wo seltenes magisches Erz vorkommt und abgebaut wird. König Rhobar II hat nun eine “tolle Idee” (nicht wirklich) und lässt aus der Insel eine Strafkolonie erstellen, wo Strafgefangene (nahezu nur männliche) in Schwerstarbeit in den Minen von Khorinis arbeiten sollen. Das magische Erz soll im Krieg gegen die Orks helfen.
Um die Insel als Gefängnis abzuschirmen, haben Magier versucht, eine Barriere zu errichten. Doch es gab ein Problem bei der Umsetzung dieser riesigen Magie. Ein Unfall erschuf nun eine Barriere, die zwar Lebewesen und Güter reinlässt, aber alles Lebende in der Barriere gefangen hält und so nichts wieder rauskommt. Klassischer Fall von “Shit Happens” und auch eigentlich die spannende Idee hinter dem Plot, denn die Strafkolonie fing daraufhin an, ihre Wächter zu überwältigen und sich selbst zu verwalten. So wurde eine neue Gesellschaftsordnung etabliert. Das setzte König Rhobar II deutlich unter Druck, denn dieser ist weiterhin auf das Erz angewiesen. Daher kam es zu Verhandlungen und somit tauscht die Kolonie geschürftes Erz gegen Güter von Aussen.
Ihr schlüpft nun in die Rolle des “Namenlosen Helden” (er heisst wirklich so), der verurteilt in die Barriere geworfen wird und einen Brief an die dort lebenden Magier aushändigen soll. Doch die Geschichte ist weitaus grösser als ihr denkt. Grade auch in Bezug auf die weiteren Teile Gothic 2 und Gothic 3, aber wir spoilern hier natürlich nicht. Erst einmal in der Barriere angekommen, bleibt zwar erst einmal das Hauptziel euren Brief an den Feuermagier zu übergeben, doch es steckt mehr dahinter. Zudem müsst ihr euch einem von drei Fraktionen anschliessen: Das alte Lager, das neue Lager und das Sumpf-Lager.
Charme des alten Gothic bleibt konsequent erhalten
Durch die kaum grafischen Anpassungen bleibt aber der alte Charme des Klassikers vollständig erhalten. Ich halte das an dieser Stelle nicht für einen negativen Punkt, denn es ist ein Titel, den man durchaus für spätere Generationen aufheben sollte. Mit Gothic hat damals vieles im Open-World-Genre angefangen und es ist ein Meilenstein der Videospielgeschichte.
Die Geschichte an sich ist heute noch wirklich Wert, erzählt zu werden. Es macht Spass, Teil dieser Kolonie zu sein und sich zwischen den Lagern entscheiden zu müssen, unterschiedliche Wege zu gehen, unterschiedliche Antworten zu geben und vieles vieles mehr. Zudem fühlt sich die Open World in Gothic Classic bis heute wirklich lebendig an. Alle Charaktere haben einen Tagesablauf, gehen ihrem Alltag nach und ab und an gibt es auch interessante Überraschungen innerhalb der Lager zu entdecken.
Eine Sache, die dem Charme allerdings etwas abträglich gewesen ist, ist die Entfernung der Mittelalter-Folk-Metal-Band In Extremo. Diese hatte im Original-Spiel auf dem PC an einem bestimmten Punkt einen Gastauftritt im Alten Lager und lies im Endeffekt Fan-Herzen höher schlagen. Der Auftritt der Band gilt bis heute in Gothic als ikonisch und dass dieser – aus Lizenzgründen – fehlt, ist natürlich ein Rückschlag. Auch wenn dies der eigentlichen Geschichte nicht im Weg steht, das war schon cool damals.
Kritisch Bugs seit dem grossen Patch ausgeräumt – Bravo!
An dieser Stelle gibt es auch noch einmal lobende Worte für das Ausspielen des Patches, der Gothic Classic für die Nintendo Switch endlich spielbar machte. Nahezu alle Bugs, die das Spiel an manchen stellen ab Release Ende September 2023 unspielbar machten, gehören seit Mitte Oktober mit Version 1.0.2 der Vergangenheit an. Zudem ist das Spiel in einem wirklich sehr guten Leistungs-Zustand, dass 60 fps ohne grosse Probleme auch auf Dauer hält und somit für ein sehr flüssiges Spielerlebnis sorgt.
Auch die Skalierung auf den Fernseher klappt ordentlich. Allerdings merkt man dem Spiel auch an, dass ein grösserer 4K-Fernseher in UHD-Auflösung diesem auch nicht mehr gerecht werden kann. Gothic 1 ist eben mittlerweile ein über 22 Jahre altes Spiel und man sollte sich Abseits der Grafik und Auflösung auf den grandiosen Titel einlassen. Ansonsten reicht es aber auch die Nintendo Switch an einen kleineren Monitor anzuschliessen, um das Bild etwas zu verkleinern.
Fazit: Warum eigentlich nicht gleich so? – Endlich gute Umsetzung für Switch
Der Anfang mit Gothic 1 als Gothic Classic für Nintendo Switch war nicht einfach. Ich war über den Zustand am Anfang meines Tests so dermassen schockiert, dass ich den Bericht eigentlich nicht schreiben und das Spiel an die Wand werfen wollte. Die Frustration war gross. Dann liest man noch die Stellungnahme eines Offiziellen von THQ Nordic um an Ende fragt man sich, wie sehr mögen die Publisher und Studios die Spiele, die sie Anfassen und uns Gamer eigentlich wirklich noch. Es war einer der Momente, nach einem Jahr mit Spielen wie Gollum, Kong und mehr schon eine absolute Zumutung.
Der relativ schnell nachgereichte, versprochene Patch ist aber wirklich gut geworden und hat das Spiel in einen exzellenten Zustand gehoben. Zudem ist die Steuerung sehr gut auf den Controller angepasst, das Inventar ist massiv viel besser zu Bedienen als in der PC-Version und die minimalen grafischen Anpassungen sind ein zusätzliches Highlight für jeden Hardcore-Fan, der das Spiel auch noch einmal in all seiner Pracht erleben möchte.
Gothic Classic ist im Nintendo eStore für 29,99 Euro bzw. 31.89 SFr. erhältlich und kommt mit einer Altersempfehlung ab 12 Jahren (USK) bzw. 16 Jahren (PEGI). Der Download des Single-Player-Abenteuers braucht 3800 MB Platz auf der Switch.
Die Retail-Version zum selben Preis gibt es direkt bei THQ Nordic zu kaufen.
Auch im Jahr 2024 bleibt Gothic 1 ein Titel, der uneingeschränkt empfohlen werden kann. Wie bereits mehrfach erwähnt, handelt es sich hierbei um Videospielgeschichte und ich bin auch wirklich froh, dass diese durch die Anpassung an modernere Konsolen weiterhin erhalten bleibt.
Video: THQ Nordic