Die Euphorie unter den Fans ist gross und selbst manch alteingesessener Technikfreak wird sich ebenfalls sehr über die Nachricht gefreut haben, dass Nokia wieder mit von der Partie ist. Allerdings überkommen mich persönlich einige Zweifel an der Rückkehr und wie diese aussehen soll. Konkrete Pläne gibt es anscheinend nicht, jedenfalls nicht öffentlich und das bereitet mir ein wenig Sorgen. Nokia brauch einen gelungenen Start, um sich zu platzieren. Sonst wird es eng.
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Schwieriger könnte der Markt für Einsteiger derzeit nicht sein
Einer der wohl wichtigsten Punkte, den derzeit alles was in der Analysten-Szene Rang und Namen hat, ankreidet, ist das Problem der extrem komplexen und schwierigen Marktsituation im Bereich Smartphones. Auf Android zu setzen ist in Anbetracht der hohen Marktrelevanz zwar kein falscher Ansatz, doch ist der sehr hohe Marktanteil auch gleichzeitig ein enormes Risiko für jeden (Wieder-)Einsteiger. Denn den grossen Thron, ganz weit oben, besetzt Samsung in der Android-Welt und dahinter wird es engmaschiger als in den Barten eines Wals.
Neben vielen chinesischen Unternehmen, wie Lenovo mit seiner neu eingekauften Moto Marke, Huawei und ZTE, streiten sich noch Sony, LG, ein paar Blackberry-Geräte, HTC, Googles Nexus Reihe und viele weitere Hersteller um diverse Marktanteile. Sony hat zwar durch seine neue Xperia X Serie irgendwie eine Art von Handtuch in den Ring geworfen (in Deutschland erscheint nicht einmal das hauseigene Flaggschiff…), doch ganz aussen vor bleibt das japanische Unternehmen damit nicht. Blackberry hingegen hat einen Neuanfang mit Android probiert, scheiterte aber am Preis und der Akzeptanz, obwohl es sich beim Blackberry Priv nicht um schlechtes Gerät handelt. Aber es zeigt wie schwierig es werden kann und worauf es am Ende ankommt.
Betrachtet man es nüchtern, hat Nokia sowieso kaum eine andere Wahl, als auf Android zu setzen. iOS bleibt selbstredend Apple vorbehalten und stellt keine Alternative dar. Mit Microsofts Windows Phone Plattform ist man nicht nur Materiell in Form von Produkt, Software und einer nicht zu verachtenden Mitschuld von Microsoft gescheitert, sondern generell auch auf persönlicher Ebene hat die Beziehung zwischen Nokia und Microsoft wohl unüberwindbare Krater hinterlassen. Nebenbei spricht der Marktanteil von mittlerweile nur noch 0.7 Prozent Bände, an denen sich Windows 10 Mobile nun einmal messen und bewerten lassen muss. Positiv sieht anders aus. Allerdings gehe ich generell davon aus, dass ein gutes Windows 10 Mobile Device aus dem Hause Nokia durchaus positive Effekte erzielen könnte. Ich jedenfalls würde vor Freude im Dreieck springen! Sehen werden wir das in naher und mittlerer Zukunft aber nicht.
Im Allgemeinen ist der Name Nokia nun kein unbeschriebenes Blatt und schliesslich einst der unangefochtene Marktführer gewesen. Viele Fans halten auch nach dem Absturz die Treue und der Name hat immer noch eine gewisse Strahlkraft, die sich sowohl negativ als auch positiv auf die Zukunft auswirken kann. Doch reicht das auch? Starke Partner hat Nokia mit HMD global Oy und der Foxconn-Tochter FHI Mobile an Land gezogen. Grade die Zusammenarbeit mit FHI Mobile zeigt, dass auch hochkarätige Firmen wie Foxconn ein Interesse an dem Namen haben. Doch das der Name allein oft nicht mehr reicht, zeigt vor allem die unangenehme Situation, in der Apple sich seit dem iPhone 6s befindet.
Nokia muss Liefern um sich zu beweisen. Daher muss ein Flaggschiff her!
Den Markt anfänglich nur mit Budget-Phones zu überschwemmen, macht wenig Sinn. Denn dafür ist dieser unter den Billiganbietern schon zu stark fragmentiert und aufgeteilt. Zumal Geräte, die im Budgetbereich spielen meistens eh mehr oder weniger an der Qualität sparen und daher nicht gerade förderlich wirken können. Was Nokia anfänglich aber helfen könnte, wäre ein aussagekräftiges Flaggschiff, welches direkt in Konkurrenz zu Apple, Samsung, LG und Co. tritt. Zudem sollte man ein Feature anbieten, welches sich ebenfalls von der Konkurrenz zu unterscheiden weiss. Nahezu alle Spitzensmartphones der Hersteller bieten unterschiedliche Features als Alleinstellungsmerkmal an.
HTC beispielsweise, liefert ein ausgeklügeltes 1.1 Speakersystem mit dem Namen BoomSound im neuen HTC 10. Das Huawei P9 kommt mit einem echten Monochromsensor in der Kamera in Zusammenarbeit mit dem spezialisten Leica daher. Samsung bietet ein starkes Gesamtpaket und zusätzlich eine IP68-Zertifizierung, die mit dem Ausscheiden von Sony in der Oberklasse unserer Region mehr an Bedeutung gewinnt und Apple hebt sich mit 3D-Touch und eben dem eigenen iOS-Betriebssystem ab. Da Nokia allerdings nun schlecht mit einem eigenen Betriebssystem kommen kann, muss eben vielleicht etwas anderes her oder man bringt wie Samsung ein enorm gutes Gesamtpaket auf den Markt, das allerdings bei all der Konkurrenz auch preislich überzeugen müsste.
Wenn man aber nun in ein Konzept abdriftet, welches nur Einsteiger- und Mittelklassegeräte vorsieht, könnte der Schuss unter Umständen auch nach hinten losgehen und man findet sich schnell in einer nicht profitablen Nische wieder. Diese könnte dann durch den Mangel an Premium-Qualität den euphorisch erwarteten Neustart zur Farce werden lassen. Ob Nokia das am Ende will, bleibt anzuzweifeln, da die Ankündigung von offizieller Seite nicht nur mit einem nüchternen Pressrelease abgetan, sondern auch mit einem ausdrucksstarken Post im eigenen Unternehmensblog begleitet wurde. Das führt zwar zu enormer Aufmerksamkeit und damit auch zu einem gutartigen Hype (Dinge, die man für einen starken Start mit viel Konkurrenz benötigt), doch bringt dieser auch eine Erwartungshaltung mit sich, die oftmals nur schwer zu erfüllen ist. Jetzt mit günstigen Einsteigergeräten diese zu verspielen, könnte teuer werden.
Im letzten Quartal 2015 kamen Gerüchte über ein Smartphone von Nokia auf, welches mit Android 6.0 ausgestattet sein soll. Es wurde sogar sehr schnell zum Aushängeschild des Comebacks des Unternehmens. Allerdings gab es bisher nie mehr als ein paar verschwommene Bilder, unbekannte Quellen und zudem wurde auch eine Version mit Windows 10 Mobile spekuliert, was aber recht unwahrscheinlich klang. Ob das C1 noch Realität wird, bleibt hier die Frage.
Nokia, ich freue mich wahnsinnig auf euch! Aber bitte versaut es nicht…
Was also bleibt für mich unterm Strich stehen? Eine Erwartungshaltung, die mich mit einem Traum von einem Flaggschiff mit Nokia-Branding zurücklässt und daher eine derartige Hoffnung schürt, die ich selten erlebt habe. Nokia selbst platziert sich in einer Art von Bringschuld und bekommt dadurch eine zweite Chance zu zeigen, es am Ende besser machen zu können, als noch zur Zeit der Partnerschaft mit Microsoft. Ein gutes Flaggschiff mit ordentlicher Hardware könnte also Wunder bewirken und das finnische Unternehmen vielleicht nicht in alte Sphären führen, aber doch zu einem gelungenen Start verhelfen. Ein Start, der in Anbetracht der negativen Vergangenheit wohl Balsam für die Seele wäre.
Eben ein Start, der die Fehler der Vergangenheit ausräumt und den Namen Nokia zurechtrückt. Ein Ziel, das nur mit Einsteigergeräten oder Mittelklasse-Smartphones extrem schwer zu erreichen ist. Daher muss das Unternehmen es bereits vom Start weg richtig anpacken und vielleicht mal ein wenig auf den Putz hauen. Da es selten in diesem Business überhaupt zu einer zweiten Chance kommt, wird es wohl zu einer Dritten eh nicht mehr kommen. Ein Szenario, dass ich Nokia nicht wünsche.
Dieser Beitrag ist eine Kolumne/Kommentar und gibt die Erfahrungen und Meinung eines einzelnen Redakteurs wieder. Diese muss nicht mit der Meinung der PocketPC.ch-Redaktion übereinstimmen.