Volla Phone 22 im Test: Volle Kontrolle über das Betriebssystem

Der deutsche Hersteller Volla geht mit seinen Smartphones einen ganz eigenen Weg. Während Huawei gezwungen ist auf Google zu verzichten und daher die hauseigenen chinesischen Apps und Dienste vorinstalliert, gibt es bei Volla so etwas rein gar nicht! Wir haben nun nach dem Volla Phone X im Test das Volla Phone 22 in der Hand und haben es ausgiebig ausprobiert. Auch hier ist der Ansatz wieder bemerkenswert, doch bleibt die Serie (noch?) kein Smartphone für alle Menschen.
Inhaltsverzeichnis
Schickes, schwarzes Design mit glänzender Rückseite und Fancy Volla-Schriftzug
Irgendwie hat es schon etwas besonderes, wenn man den geschwungenen Schriftzug von Volla auf der Rückseite des Smartphones sieht. Irgendwie als hätte ein Star auf dem Handy hinten unterschrieben, was es auch wieder irgendwie besonders macht. Die Rückseite selbst ist glänzend gehalten und extrem Fingerabdruck-anfällig, aber das Problem haben viele Geräte, mit derartigen Designentscheidungen. Hinten findet sich auch die Triple-Kamera oben links im oberen Bereich.
Die Verarbeitungsqualität ist sehr hoch und das Volla Phone 22 fühlt sich im Test wirklich gut in der Hand an! Durch das viele Kunststoff ist natürlich nicht unbedingt ein Premium-Modell zu erwarten, aber das ist auch tatsächlich nicht das Ziel. Das Modell ist unheimlich gut verarbeitet und wirkt dadurch sehr hochwertig. Mit einem Gewicht von 210 Gramm ist es allerdings auch sehr schwer, etwas schwerer als Vergleichbare Geräte dieser Klasse und auch die 10.4 mm Durchmesser sind deutlich über dem Durchschnitt.
Doch dadurch wirkt das Gerät auch sehr solide. Im Test konnte ich weder Riefen noch Spaltmasse erkennen. Alles fügt sich wunderbar zusammen und lässt keinen Spielraum für Kritik. Interessant für Fans eines alten, teils sehr vermissten Features: Das Volla Phone 22 bietet in der Front eine Benachrichtigungs-LED! Für mich persönlich spielt das zwar keine Rolle, aber es gibt durchaus Menschen, die dieses Feature bei vielen Modellen mittlerweile schmerzlich vermissen. Hier kann der deutsche Hersteller also punkten,
Bilder: PocketPC.ch / Laser
Hardware schwankt zwischen obere Unter- und untere Mittelklasse
Im Inneren finden wir einen MediaTek Helio G85 vor, der allerdings kein 5G-Mobilfunk unterstützt. Dieser liegt in etwa auf dem Niveau eines Snapdragon 680, was zwar für die kleinsten Spiele in den App Stores reicht, aber bei schon leicht aufwändigeren Games die Puste ausgeht. Für die alltägliche Performance reicht das allerdings locker aus. Browser, das Schreiben von Nachrichten und vielleicht ein wenig Social Media interessiert es herzlichst wenig, ob da nun High-End-Hardware drin steckt oder nicht. Auch die 4 GB RAM und 128 GB interner Speicher sind für diese Klasse ausreichend dimensioniert. Letzterer ist per microSD um weitere 512 GB erweiterbar.
Neben USB-C 2.0 finden wir auf der unteren Seite des Rahmens auch einen 3.5 mm Klinkenanschluss wieder, was mittlerweile auch keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Schnellladen gibt es übrigens leider nicht, hier kamen wir im Test auf maximal 5 Watt. Schade, denn der verbaute Akku ist mit 4500 mAh im Vergleich zur Konkurrenz in diesem Segment etwas klein. Viele Geräte dieser Klasse setzen auf 5000 mAh und mehr. Doch dass so etwas nicht immer ein Nachteil sein muss, schlüssle ich noch im Abschnitt Akkulaufzeit auf.
Insgesamt ist die Performance innerhalb der hauseigenen Oberfläche aber sehr gut. Die etwas hinterherhinkende Hardware merkt man dem Gerät nicht an und der ältere MediaTek reicht für diese auch völlig aus. Das Umschalten zwischen Apps läuft flüssig und auch die Bedienung an sich geht ohne Ruckler über die Bühne.

Display und Kamera sind jedenfalls keine Highlights im Volla Phone 22
Wir blicken auf der Front auf ein 6.3 Zoll grosses LCD mit einer FullHD+ Auflösung und 60 Hertz Bildwiederholfrequenz. Dieses ist für die reine Anzeige in Ordnung, hat aber eklatante Schwächen bei der Blickwinkelstabilität. Die Farben waschen zur Seite hin sehr schnell aus und die Spitzenhelligkeit ist vor allem unter direktem Sonnenlicht ein Problem. So schaue ich bei direkter Sonneneinstrahlung mehrmals hin, um Symbole zu erkennen, was definitiv nicht an meinen Augen liegt.
Auch der leichte Grauschleier drückt ein wenig die Anzeigequalität nach unten. Dieser ist vor allem bei dunkleren Inhalten zu sehen und verstärkt sich vor allem dann, wenn man nur leicht seitlich auf das Display schaut. Wenn wir nun bedenken, dass andere Hersteller für den Preis des Volla Phone 22 AMOLED mit dynamischen 120 Hertz verbauen, dann ist das natürlich im direkten Vergleich sehr wenig für das Geld. Allerdings handelt es sch hier auch um ein europäisches Smartphone aus Remscheid in Deutschland. Die Vorzüge liegen hier also woanders. Das Modell ist eben nicht nur “Designed in Germany”, sondern auch “Made in Germany” und das ist einfach ein Vorteil, was vor allem Arbeitsbedienungen betrifft.

Die Dual-Kamera auf der Rückseite mit 48 Megapixel Hauptsensor ist einigermassen in Ordnungen. Die Bilder sind scharf genug, weisen aber Schwächen am Rand der Fotos aus, wo es zu Unschärfen und Artefaktbildung kommen kann. Auch ist die Rauschunterdrückung nicht optimal, was zu leichtem flimmern vor allem in gleichmässigen Farbverläufen führt. Dennoch hat die Kamera Schnappschussqualität und die Fotos sind brauchbar, um die eigenen Momente festzuhalten. Für ausufernde Social Media Eskapaden oder wer mit Smartphone-Fotografie als Hobby zu tun hat, wird aber eher die Nase (bzw. die Augen?) rümpfen. Richtig gut ist der Knipser also zwar nicht, aber auch nicht abgrundtief schlecht.
VollaOS im Fokus: Mehr Sicherheit durch weniger Google?
Volla bietet in seinen Geräten das sogenannte VollaOS an. Dieses basiert natürlich auf Android, kommt allerdings komplett ohne Google Dienste daher. Zudem ist von Haus aus die Möglichkeit eines VPN gegeben, der komplett nach belieben Konfiguriert werden kann und grundsätzlich kommuniziert das System nicht wie andere Betriebssysteme permanent unerwünscht nach draussen. Das hat natürlich einige Vorteile, denn das System kommt ohne Bloatware daher und ihr müsstet einige gewünschte Apps unter Umständen “sideloaden”. Vorinstalliert ist allerdings der F-Droid-Store, mit dem ihr schon bereits Zugriff auf einige Programme habt.
Wichtigster Vorteil erstmal: Ihr startet das Volla Phone 22 einfach das erste Mal, sobald ihr es aus der Verpackung nehmt und bis auf zwei bis drei Klicks, seid ihr SOFORT im Betriebssystem. Keine Anmeldung, keine Pflicht für Accounts damit überhaupt irgendwas funktioniert oder dergleichen. Ein merkwürdiges Gefühl, wenn man seine Liste mit 200 Passwörtern rausholt und sich erst einmal fragt was eingerichtet werden soll. Natürlich könnt ihr Google Apps, Facebook, Instagram und Co. nach installieren bzw. sideloaden, doch dann machen diese Apps eben… naja, Social-Media- und Datenklau-Sachen. Natürlich funktioniert dann die Synchronisation erstmal nicht und es sind auch nicht sofort alle Kontakte, Fotos und mehr drüben.
Screenshots: PocketPC.ch / Laser
Natürlich richtet sich das Volla Phone 22 aber auch nicht an die Menschen, für die alles auf Anhieb funktionieren soll oder diese dann gerade doch? Denn wer mit Google, Apple und Co. schon vorher nichts am Hut hatte und somit nichts auf derartige Einrichtungen gibt, der wird damit mehr als glücklich. Seit ihr aber eher sicherheitsfanatisch veranlagt und wollt nicht die Datenkraken der grossen Unternehmen von Anfang an im System haben, so könnt ihr VollaOS entsprechend konfigurieren und auch weiter auf dem Sicherheitsaspekt ausbauen. Es lässt sich zur Not aber auch alles nach installieren, was ihr so brauchen könntet.
Die Oberfläche gibt sich schwarz und sehr dunkel mit roten Akzenten für Aktions- oder Schnellzugriffe. Dabei wirkt alles sehr aufgeräumt, doch ist die Bedienung anfänglich nicht sonderlich intuitiv. Denn man wird quasi zum Start vor einem schwarzen Bildschirm mit rotem Punkt geparkt und fängt erst einmal an zu wischen, um zu schauen, ob irgendwas passiert. Und ja, es passiert durchaus was, denn mit einem Wisch nach rechts, kommen wir in die App-Zentrale. Der rote Punkt am Anfang ist der Knopf für Schnellzugriffe zu den wichtigsten Bereichen im Handy.
VollaOS mit schizophren Zügen? System meldet sich per Update als LineageOS
Übrigens stand uns ein Update für VollaOS 11.1 zur Verfügung und wir haben dieses auch gleich installiert. Noch vor der Installation gab es aber einen interessanten Hinweis, der uns informierte, dass LineageOS immer ganze Update-Pakete herunterlädt. Damit soll sichergestellt werden, dass von jeder Version aus immer auf die neuste Aktualisierung hochgestuft werden kann. Aber halt… LineageOS? Sollte hier nicht VollaOS zum Einsatz kommen? Entweder nutzt das System eine modifizierte Version von LineageOS oder es kommen Teilbereiche der Android-Alternative zum Einsatz.
Das könnte in erster Linie zu Verwirrung führen, zumal es keinen Grund für eine solche Meldung geben sollte, es sei denn der Unterbau basiert tatsächlich auf LineageOS. Ein Nachteil ist das natürlich nicht, aber LineageOS ist kein von Volla eigens entwickeltes System. Handelt es sich tatsächlich um Lineage, dann wurde dieses lediglich entsprechend zu Sicherheitszwecken modifiziert.

Volle Kontrolle über microSD-Karte: Installiert einfach was ihr wollt!
Besonders interessant für Bastlerinnen und Bastler dürfte die Möglichkeit sein, den Multi-Boot-Manager des Volla Phone 22 zu nutzen. Ihr könnt nämlich über eine microSD-Karte alles installieren, was ihr wollt. Zum Beispiel Ubuntu Touch oder auch Sailfish OS. Ihr habt hier die freie Wahl und seid im Endeffekt komplett ungebunden. Das macht das Volla Phone 22 auf jeden Fall enorm flexibel und interessant, vor allem für Menschen, die mehr ausprobieren oder sich eine volle Unabhängigkeit vom jeweiligen Softwarestand wünschen. Stark!
Hier kommt dann auch der Boot-Manager ins Spiel, der euch dann das gewünschte Betriebssystem starten lässt. Für das Volla Phone steht euch auch eine Anleitung für die Einrichtung zur Verfügung und dort wird auch erklärt, wie das dann mit der microSD-Karte und dem Installieren anderer Systeme funktioniert. Durchaus eine löbliche Kontrolle über das eigene Smartphone, die ihr aktuell woanders kaum bekommt.

Volla und Gigaset: Die Hardware gibt es auch für viel Geld weniger! – Aber…
Kommt euch das Volla Phone 22 irgendwie bekannt vor oder habt vielleicht während des Testberichts schon überlegt, wo ihr das Modell schon einmal gesehen habt? Das Volla Phone 22 ist im Endeffekt nichts anderes als ein Gigaset GS5. Und zwar auf den Millimeter genau! Es handelt sich dabei um die identische Hardware und Design. Gigaset baut das Volla Phone 22 nämlich oder besser gesagt das Gigaset GS5 und Volla kauft das Gerät dann mit eigenem Label ein. Das Gigaset Modell hat allerdings eine UVP von 299 Euro bzw. Schweizer Franken und Volla liegt mit dem Phone 22 bei üppigeren 452 Zählern. Das ist ein ganzer Haufen mehr für das exakt gleiche Gerät!
Übrigens kaft Volla bisher alle bekannten Geräte bei Gigaset ein. Das neue Volla Phone X23 ist beispielsweise das Gigaset GX4. Das ist aber alles auch nicht schlimm! Im Gegenteil, denn Volla kommuniziert die Partnerschaft mit Gigaset sehr bewusst und freut sich auch “Made in Germany” Geräte anbieten zu können.
Der Grosse und vor allem wirklich positive Knackpunkt ist, dass man mit dem austauschbaren Betriebssystem eurer eigenen Wahl auch etwas ganz individuelles zum Tragen kommt. Da Volla nur eine kleine, begrenzte Menge an Geräten abnimmt und nicht in Masse abkauft, lassen sich auch die Preise von Gigaset nicht realisieren. Denn wenn wir einmal ehrlich sind, dann ist der Preis für die gebotene Technik, wo wir sonst 120 Hertz AMOLED, Snapdragon 8 Gen1 oder auch richtig gute Kameras mit IMX-Sensoren finden, wirklich viel zu hoch. Doch das Ziel von “Hallo Welt Systeme” – dem Unternehmen hinter Volla – ist eben auch ein ganz anderes und die Ressourcen dafür sind begrenzt.

Fazit: Volla Phone 22 als tolle Alternative für engagierte Bastlerinnen und Bastler
Das Volla Phone 22 bietet eigentlich für den gebotenen Preis viel zu wenig Technik. Das Display hat nur 60 Hertz und schwächen bei der Anzeige, der Prozessor ist schwachbrünstig und selbst für mittelmässig anspruchsvolle Games zu schwach und es gibt für über 450 Euro/SFr. nicht einmal 5G-Mobilfunk. Dennoch ist das Volla Phone 22 ein für mich persönlich unheimlich spannendes Gerät. Es versetzt mich in die Zeit zurück, in der ich auf einem HTC Touch HD und HD 2 jedes erdenkliche Windows ROM aufgespielt und getestet habe. Hier habe ich sogar die Auswahl zwischen wirklich vielen unterschiedlichen Betriebssystemen!
Die Richtung ist mit VollaOS aber erst einmal grundlegend klar: Hallo Welt Systeme will erst einmal von Grund auf Datenschutzkritische Apps aussperren und liefert die Geräte in einem sehr marginalen Zustand mit vielerlei Sicherheitsfeatures aus. Was ihr daraus macht, ist aber euch überlassen. Ihr könnt schliesslich installieren was ihr wollt. Das ist vor allem für Bastler interessant. Egal ob Google-Dienste aufspielen oder mit Ubuntu Touch oder Sailfish OS gleich neue Betriebssysteme testen. So übt das Volla Phone 22 ohne Bootloader-Sperrungen oder dergleichen einen völlig anderen Reiz aus. Das Gerät gehört einfach nach dem Kauf euch und daher könnt ihr auch entsprechend experimentieren. Zudem gibt es auch die Möglichkeit, auf Ubuntu Touch zu wechseln.
Durch die geringe Stückzahl und das umlabeln der Geräte entstehen aber auch sehr hohe Kosten für die Firma, was eben zu dem für die Technik sehr hohen Preis führt. Gigaset ist da schon nicht günstig und das Volla Phone 22 kostet eben deutlich mehr als ein um ein Vielfaches besser ausgestattetes Nothing Phone (1). Aber Nothing lässt auch nicht in Deutschland bauen und Nothing lässt euch auch keine Wahl bei der Software. Zudem steht hinter den Volla Phones keine Milliarden-schwere Ökonomie aus chinesischen Unternehmen.
“ist einergermaßen in Ordnungen” hört sich an, als müsste man mehrere Ordnungen anwenden,um die Kamera noch gut zu finden. 😀 Werde ich definitiv in meinen Sprachgebrauch übernehmen.
Danke für den ausführlichen Test. Hoffe Volla kann sich halten und weiter ausbauen. Mein nächstes Handy-Fenster öffnet sich erst in ca. 5 Jahren.