Sa. 15. Juni 2024 um 7:02

Sony ULT Wear im Test: All About That Bass

von Marcel Laser 0 Kommentare
Lesedauer: 7 Minuten

Richtung Mitte April stellte Sony mit der ULT Power Sound Serie neue Produkte für Kopfhörer und Lautsprecher vor. Besonders spannend sind die ULT Wear Kopfhörer, die eigenes an Technik der wesentlich teureren WH-1000MX inne haben, aber eben auch weitaus günstiger sind. Wir haben die Kopfhörer ausprobieren dürfen und sind vom Klang gleichermassen positiv als auch negativ überrascht. Warum, erfahrt ihr hier im Test.

Design – Sony-typisch eine Menge an solidem Plastik, wirkt etwas billig

Auch bei den Sony ULT Wear setzt der japanische Hersteller wieder viel auf Kunststoff, was im ersten Moment etwas billig wirkt. Vor allem der Erstkontakt nach dem Auspacken ist gewöhnungsbedürftig, zumal die Kopfhörer im Vergleich zu einigen anderen Marken auch nicht günstig sind. So bestehen die Ohrmuscheln und die Aufhängung aus Plastik, inklusive der Gelenke für die Anpassung und die Drehungen der Hörer. Erst beim Herausfahren, um die Grösse zu verstellen, zeigt sich etwas Metall an den Kopfhörern, vermutlich um das Kopfband etwas zu verstärken.

 

Das allgemeine Material der Ohrschoner besteht aus Kunstleder und liegt angenehm an durch den sehr weichen Memoryschaum. Diese liegen aber so gut um den Ohren, dass diese auch die Hitze ordentlich einschliessen. Es wird also nach einiger Zeit tragen sehr warm an den Ohren. Dafür sind die Ohrhöhrer mit ihrer länglichen Ausbuchtung vorteilhaft geformt und schliessen die Lauscher gut ein. Das ist auch für das ANC des Kopfhörers wichtig. Leider ist das Kunstledermaterial nicht wirklich in der Lage Schweiss aufzunehmen. An sehr warmen Tagen könnte das zum Problem werden. Hier favorisiere ich persönlich abnehmbare Polster, die ich auch vernünftig sauber machen kann, damit sich keine Bakterien oder unangenehme Gerüche sammeln können.

 

Mit einem Gewicht von rund 257 Gramm sind die Headphones nicht gerade leicht, aber sie sind durch die ordentliche Polsterung angenehm zu tragen. Der Anpressdruck könnte aber etwas höher sein. Schnelleres gehen oder schnelle Kopfbewegungen bringen diese schon ins Schlingern und man justiert öfters einmal nach. Aber solange ihr euch nicht all zu ruckartig bewegt, ist das alles kein all zu grosses Problem.


Bilder: PocketPC.ch / Laser

Technik im Sony ULT Wear beeindruckt teilweise auf hohem Niveau

Sony geht hier einen Spagat aus High-End-Teilen aus dem wesentlich teureren WH-1000MX5 Modell, speckt aber auch einige Funktionen ab. Praktisch ist aber vor allem eines: Der ULT Wear bietet den gleichen V1 Prozessor, der auch für das Active Noise Cancelling (ANC), also die Geräuschunterdrückung, zuständig ist. Das ist ordentliche Technik, denn das ANC der WH-1000MX Serie gehört zu dem besten auf dem Markt. Zudem setzen die ULT Wear auf 40 Millimeter grosse Treiber, die in einem Frequenzbereich von 5 Hz bis 20000 Hertz arbeiten können, solange sie aktiv an einem Kabel angeschlossen sind. Über Bluetooth sind es im niedrigen Bereich noch 20 Hertz bis eben 20 kHz.

 

Sony ULT Wear technische Daten im Kurzüberblick

  • Kopfhörer-Typ: Over-Ear
  • Treiber: 40 mm Neodym
  • Frequenzbereich: 5 Hz bis 20 kHz (angeschlossen), 20 Hz bis 20 kHz (Bluetooth)
  • Impedanz: 32 Ohm (1 kHz)
  • Verbindungen: 3.5-mm-Klinke, Bluetooth 5.2 (Multi-Pairing verfügbar)
  • Akkulaufzeit: Bis zu 30 Stunden (ANC) oder bis zu 50 Stunden (ohne ANC)
  • Weitere Features: Unterstützt Sony 360 Audio über Headtracking, Ambient-Sound-Modus

Auch zeigt sich der Sony ULT Wear im Test sehr anschlussfreudig. USB-C-Kabel, das auch zum Laden dient und ein Eingang für 3.5-mm-Klinke. Funk wird über Bluetooth 5.2 realisiert und kann auch in einem Dual-Pairing-Modus betrieben werden. Das heisst ihr könnt bis zu zwei Geräte gleichzeitig mit dem Kopfhörer verbinden. Beispielsweise ein Tablet und ein Smartphone zur gleichen Zeit. Unterstützt werden die Audioformate SBC, AAC und LDAC.

 

Bei einem derart neuen Produkt hätten wir uns aber noch zwei Dinge gewünscht. Zum einen wäre direkt Bluetooth 5.4 super gewesen. Zumal viele China-Kopfhörer und Lautsprecher in sehr kleinem Preisbereich mitbringen. Auch wäre es ganz gut gewesen, den Sound über USB-C übertragen zu können, der Anschluss dient leider nur zum Laden. Zwei Dinge, die jetzt absolut kein Beinbruch sind, aber in dieser Preisklasse vielleicht ganz schick gewesen wären.

Sony ULT Wear Test Lieferumfang
Der Lieferumfang ist ok. Schick ist auch das Schutzcase und gefallen hat uns auch der 45-Grad-Klinke-Stecker. Bild: Sony

So klingt der ULT Wear – Wie viel Bass braucht es? Sony: “Ja!!”

Kommen wir aber nun erst einmal zur wichtigsten Kategorie: Der Klang des Sony ULT Wear im Test und hier bin ich wirklich sehr zwiegespalten. Aber fangen wir erst einmal mit den positiven Dingen an. Die Höhen und Mitten sind wirklich sehr klar, verzerren auch bei hoher Lautstärke nicht. Zudem liefert der Kopfhörer in genau diesem Bereich eine gute Dynamik bei Übergängen und kommt selbst mit schwierigen Bereichen zurecht. Das klappt auch Genre-Übergreifend ganz gut, egal ob hohe Vocals oder ruhiger elektronischer Dubstep ohne viel Tiefe.

 

Doch dann gibt es noch die andere Seite des Sony ULT Wear und die ist wirklich heftig. Der Bass ist absolut übertrieben krank. Er frisst sich mit jedem Beat von unten in das Klangbild und das mit einer abnormal hohen Wucht. Ich kenne tatsächlich noch das Klangbild der WH-1000MX3 und diese waren schon basslastig, aber was die Sony ULT Wear hier treiben, ist jenseits von gut und böse. Und wir reden hier von einem Out-of-the-Box Flat-Equalizer.

Der ULT-Knopf kann den Bass gleich zweimal ändern. Aber schon in der Standard-Konfiguration ist der Bass omnipräsent. Bild: PocketPC.ch / Laser

Jetzt befindet sich an der linken Ohrmuschel noch ein Knopf mit ULT-Aufdruck. Drückt ihr den ein Mal, dann hebt der Sony-Kopfhörer den Bass noch einmal deutlich an. Ein weiterer Druck erhöht die Bässe noch einmal! Und das nennt Sony dann Ultimate Bass-Einstellung. Der Kopfhörer hat schon in den Grundeinstellung viel zu viel Bass und dann gibt es einen Knopf, der das alles noch zweimal anheben kann?! Ich hatte jedenfalls auch Spass daran Songs wie Skrillex Bangerang oder auch Lieder von deadmau5 in einer völlig anderen Bass-Dimension zu hören.

 

Interessanterweise zerbeisst der Bass aber nicht die Höhen und Mitten bis zur Unkenntlichkeit, wie es vor allem bei niedriegpreisigen Kopfhörern der Fall ist. Der Sony Kopfhörer bleibt trotz des Überschusses an Tiefe und Bass im Klangbild enorm stabil, was absolut beeindruckend ist. Dennoch ist der Bass fast schon unerträglich viel. Daher gibt es hier nur zwei Möglichkeiten: Entweder man will genau so einen Kopfhörer, der einem die Synapsen aus dem Gehörgang hämmert oder ihr hört einfach nicht die entsprechende Musik und wollt mit überbordendem Bumms auch nichts zu tun haben. Für Menschen die ausgewogenen, sehr klaren Klang auf allen Ebenen hören wollen, ist der Sony ULT Wear einfach nichts.

Eine Stunde Melbourne Shuffle mit den Sony ULT Wear auf dem Kopf. Selbst das Tragen an warmen Tagen könnte zum schwitzigen Problem werden. Bild: PocketPC.ch / Laser

Bedienung gewöhnungsbedürftig, aber gut – App dringend empfohlen

Bei der Bedienung macht Sony vieles richtig. Die Knöpfe sind sehr gut zu erreichen und das wichtigste: auch zu erfühlen. Das gilt sowohl für die ANC-Taste als auch das Bedienfeld an der rechten Ohrmuschel. Der gesamte flache Bereich des rechten Kopfhörers an der Seite ist nämlich ein Touch-Feld. Dieses reagiert prompt auf eingaben und setzt diese auch sehr zuverlässig um. Gewöhnungsbedürftig sind aber die ersten Gehversuche damit. So hab ich erst einmal feststellen müssen, dass wenn der Finger aufliegt eine Bestätigung erklingt, dass dieser aufgelegt wurde und ihr solltet dann sofort die gewünschte Geste ausführen, um den Befehl durchbringen zu können. Hat man das erst einmal raus, klappt die Bedienung sehr gut.

 

Mit einem Swipe nach vorne geht ihr ins nächste Lied, mit einem Streich nach hinten in den Vorgänger-Song. Wischbewegungen nach oben und unten regeln entsprechend die Lautstärke. Legt ihr die komplette Hand auf, geht der Sony ULT Wear in den Transparenz-Modus und ihr könnt eure Umgebung wahrnehmen, da der Umgebungsklang über die Mikrofone recht gut in eure Ohren transportiert wird. Das ist praktisch wenn ihr kurz eine Ansage im Zug oder am Bahnsteig hören wollt und geht viel schneller als den Kopfhörer abzunehmen.

 

Viele Einstellungen und auch das Updaten des Kopfhörers geht allerdings nur über die Sony App, die ihr über den Play Store oder den App Store herunterladen müsst. Zudem ist ein Sony-Konto von Vorteil um Einstellungen speichern zu können oder weitere Infos oder Freischaltungen zu bekommen. Das gilt vor allem für die 360-Reality-Audio-Erfahrung. Hierfür braucht die App Zugriff auf eure Kamera um eure Ohren scannen und den Sony ULT Wear so vom Klangbild an eure Ohrform anpassen zu können. Wollt ihr also das komplette Feature-Set des Kopfhörers nutzen, ist die App und damit auch ein zwingendes Sony-Konto erforderlich. Schade.

DIe App braucht ihr für die wichtigsten Funktionen, unter anderem auch 360-Reality-Audio und Headtracking. (Bild: PocketPC)

Richtig starke Akkulaufzeit und ein ordentliches ANC

Beeindruckend ist die Akkulaufzeit. Hier zeigte sich der Sony ULT Wear im Test durchaus mit einer starken Ausdauer. Mit aktiviertem ANC und einer unterdurchschnittlichen Lautstärke kamen wir immerhin auf gut 33 Stunden. Das ist mehr als Sony selbst in der Beschreibung angibt. Die Laufzeit ohne ANC ist übrgiens mit über 50 Stunden sehr hoch angegeben und können wir ebenso unterschreiben. Übertreibt ihr es mit der Lautstärke nicht, dann ist sogar meist mehr drin. Eine Woche Arbeiten mit dem Kopfhörer auf dem Kopf ist also kein Problem. Seit ihr als Pendelnde in Zug, Bahn oder Tram unterwegs könnt ihr so einige Wochen lang ohne Aufladen euren Spass haben. Richtig gut!

 

Beim Laden macht Sony allerdings keine konkreten Angaben. Ein offizielles “Fast-Charging” scheint es irgendwie nicht zu geben, ist jedenfalls nirgends vermerkt. Laut Hersteller sollen aber 10 Minuten Laden ausreichen um wieder 5 Stunden Spielzeit zu generieren. Das ist in Ordnung und ihr werdet bestimmt die Zeit finden den Kopfhörer ans Kabel zu hängen. Er hält zumindest lange genug durch und in der hauseigenen App gibt es auch eine Akkuanzeige.

 

Ganz ordentlich schlägt sich auch die aktive Geräuschunterdrückung. Am Arbeitsplatz erhaltet ihr so euren eigenen Musik-Space, den selbst meine recht laut klickende mechanische Tastatur nicht vollständig durchdringen konnte. Kein Wunder, denn es werkelt der gleiche V1-Prozessor aus dem doppelt so teuren Schwester-Modell im ULT Wear. Allerdings merkt man, dass das verwendete Mikrofon-Array aus dem ULT Wear bei weitem nicht die Qualität erreicht, wie bei der WH-1000MX-Serie. Das gilt übrigens auch für die Stimmübertragung, die zwar in Ordnung ist, aber kein Highlight. Für kurze Telefonate oder Sprachnachrichten reicht es aber allemal.

Die gesamte Aufhängung besteht aus Kunststoff, was im Ersteindruck nicht wie ein hochpreisiger Kopfhörer wirkt. Bild: PocketPC.ch / Laser

Fazit: Sony ULT Wear ist die “Bass-Maschine des Todes”

Uff… Sony… Es ist im Endeffekt kaum in Worte zu fassen, wie sehr mich dieser Kopfhörer von einem Extrem in das nächste jagt. Die Höhen und Mitten sind wirklich stark, differenziert und bieten eine insgesamt gute Dynamik über ein sehr breites Spektrum hinweg. Und dann kickt der Bass… der wirklich brutal heftig ausfällt. Der Sony ULT Wear ist kein schlechter Kopfhörer, denn dass er Musik kann, beweist er definitiv. Er kann es aber nur, wenn man mit diesem abnormal heftigen Bass klar kommt. Ich habe noch nie einen Kopfhörer dieser Klasse getestet, der zwar wirklich ein tolles Klangbild erzeugen kann, aber mich mit derart überbordenden Bässen derart zur Verzweiflung brachte. Während die Grundeinstellung schon echt heftig ist, sind der erste und vor allem der zweite Druck auf den ULT-Knopf absolut nicht mehr auszuhalten. Überraschenderweise zerreisst es die Mitten und Höhen nicht, was wohl auch Sonys Klangexpertise zu verdanken ist. Es fällt nur enorm schwer, sich auf diese zu fokussieren sobald ihr den Bass-Boost-Knopf drückt.

 

Richtig gefallen hat mir aber die wirklich hohe Akkulaufzeit, das ordentliche ANC, der angenehme Sitz und in weiten Teilen auch die Bedienung. Leider sind viele Funktionen erst über die App und dann auch noch mit einem zwingenden Sony-Konto zugänglich. Aber gut, das ist mittlerweile bei vielen Herstellern so. Als kritikwürdig empfinde ich so etwas dennoch. Auch ist in meinen Augen die etwas “billig” wirkende Bauweise aus extrem viel Kunststoff nicht unbedingt die feine Art bei einem vom japanischen Hersteller derart als Premium platzierten Produkt.

 

 

Alles in allem ist der Sony ULT Wear kein schlechter Kopfhörer. Er ist aber klar an eine fest definierte Zielgruppe gerichtet: An Menschen mit exzessivem Bass-Fetisch! Hört ihr viel Elektronik und wollt es beim Bass so richtig krachen lassen, wüsste ich selbst im höherpreisigerem Segment aktuell keinen Kopfhörer, der mit so abnorm viel Bass auch noch die anderen Klangbereiche am Leben hält. Ihr müsst das aber auch wirklich mögen, denn für eine UVP von 199 Euro / Schweizer Franken ist der ULT Wear kein Schnäppchen. Allerdings ist der Kopfhörer beispielsweise auf Amazon bereits deutlich unter diese Preisvorgabe gerutscht.

 

Mögt ihr es dennoch etwas basslastiger, wollt aber ein wesentlich ausbalancierteres Klangbild, solltet ihr euch den Sony WH-1000MX3 anschauen. Es handelt sich hierbei um den Vorvorgänger des aktuellen Spitzenmodells des Herstellers und mit etwas Glück lässt sich dieses noch neu für einen attraktiven Preis im Handel erstehen.

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