Sa. 25. Juni 2022 um 7:58

Pico Neo 3 Link: TikTok-VR-Brille im ersten Erfahrungsbericht

von Marcel Laser 0 Kommentare
Lesedauer: 5 Minuten

Die Oculus Meta Quest 2 gilt aktuell als spannendes Projekt, vor allem für das von Facebook vorgestellte Metaverse. Von dem VR-Brillen-Kuchen wollen aber auch andere Hersteller etwas abhaben. ByteDance ist der chinesische Konzern hinter TikTok und hat mit der Pico Neo 3-Serie eine nahezu identische Brille auf den Markt gebracht. Aus dieser Reihe durften wir nun die Pico Neo 3 Link ausprobieren, die allerdings einige sehr nützliche Features an Bord hat und somit die Quest 2 sogar übertrifft. Allerdings nur in Teilen.

Warum nur ein Erfahrungsbericht zur Pico Neo 3 Link und kein Test?

An dieser Stelle müssen wir aber direkt einen Disclaimer aufstellen. Der Hersteller hinter der Pico Neo 3 Link gibt offiziell an, dass es sich hierbei um ein Beta-Produkt handelt! Es ist also kein ausgereiftes Modell. Dennoch kostet die Pico Link mit 449 Euro / Schweizer Franken genauso viel wie die Oculus Quest 2. Ein komplettes Testfazit wollen wir an dieser Stelle also definitiv nicht aussprechen. Aber wir machten unseren Erfahrungen mit euch teilen und auch herausstellen, was die Pico Neo 3 Link von der von Facebook entwickelten Oculus Meta Quest 2 unterscheidet. 


Schick. Die Pico Neo 3 Link. Bild: PocketPC.ch / Laser

Starker Lieferumfang mit einigen Überraschungen gleich zu Beginn

Im Karton stecken einige interessante Überraschungen, doch gehen wir erst einmal die offensichtlichen Dinge durch. So finden wir im Lieferumfang eine üppige Auswahl an allerlei Zubehör:

  • Neo 3 Link-Brille
  • 2x Controller für die Bedienung
  • 2x Controller-Schlingen zum Sichern am Handgelenk
  • Batterien um die Controller zu betreiben
  • 1x Schraubendreher (richtig gut!)
  • 1x Nasenpolster
  • 1x USB-C 2.0 Kabel + Adapter
  • 1x DisplayPort Kabel + MiniDP Adapter
  • Benutzerhandbuch + Garantiekarte

Ins Auge springt hier sofort das DisplayPort-Kabel, welches wir beim Vorgänger Pico Neo 3 Pro nicht haben. Grundsätzlich ist die Ausstattung komplett identisch, doch die “Link” hat eben noch dieses eine Kabel, mit dem ihr die VR-Brille auch am PC anschliessen und so SteamVR-Games zocken könnt. Das finden wir an dieser Stelle absolut stark!

Bilder: Pocket PC.ch / Laser

Fast identische Technik zur Pico Neo 3 Pro und extreme Ähnlichkeit zur Quest 2

Die technischen Gegebenheiten der VR-Brille sind identisch zur Neo 3 Pro. Im Inneren arbeitet ein Snapdragon XR2 mit ordentlich viel Leistung. Dadurch kann die Pico Neo 3 Link völlig autark arbeiten und Android-Apps installieren. Darunter über hundert Spiele aus dem hauseigenen Store. Das Display misst 5.5 Zoll und löst mit sehr hohen 3664 x 1920 Pixel auf. Das ergibt eine sehr gute Pixeldichte von über 770 ppi, die aber auch bei VR-Headsets definitiv von Vorteil ist. Am liebsten hätten wir hier gerne ein AMOLED gesehen, doch aktuell sind schnell schaltende LCDs günstig herzustellen und drücken auch den Preis der Brille. Schlecht ist die Mattscheibe aber nicht.

 

Technische Daten der Pico Neo 3 Link im Überblick

  • Geräte-Typ: VR-Brille (autark und am PC anschliessbar)
  • Display: LCD mit 5.5 Zoll und 3664 x 1920 Pixel
  • Sichtfeld: 98 Grad
  • Prozessor: Qualcomm Snapdragon XR2 (865)
  • Speicher: 6 GB RAM und 256 GB interne Speicherkapazität
  • Tracking: 4x Mono Tracking-Kameras
  • Konnektivität: Bluetooth 5.1, WiFi 6 und Anschluss per DisplayPort (via USB-C)
  • Sonstiges: Integrierte Lautsprecher, Mikrofon und 3.5-mm-Klinkenanschluss

All diese Daten erinnern übrigens auch an die Meta Quest 2 von Oculus, die ebenfalls genau diese Panels in der gleichen Auflösung verwendet. Daher ist der Vergleich nur fair, zumal die Oculus-Variante preislich identisch auf dem Markt zu finden ist und eben auch in grossen Teilen die exakt gleiche Hardware bietet. Dennoch hat die Pico Neo 3 Link einen kleinen Vorteil.

 

Denn die Pico Neo 3 Link hat einen integrierten Display Port. So kann die VR-Brille direkt als Anzeige am PC angeschlossen werden, was nicht nur Ressourcen schont und Latenzen deutlich verringert, sondern sie zu einer guten Alternative zu anderen Brillen machen kann. Das Kabel kann oben an die Brille fest “angeschraubt” werden, mit dem beiliegenden Schraubendreher. So bleibt es fest am Gerät und wird zusätzlich noch an die Seite angeklippst, damit es nicht im Weg baumelt.

Hier kommt das USB-C Kabel für den DisplayPort Anschluss rein. Links versetzt darüber befindet sich das Loch für die Befestigungsschraube. Bild: Pocket PC.ch / Laser

Wie zockt es sich denn jetzt mit der Pico Neo 3 Link?

Kurz und bündig: Sehr gut! Sie liegt gut auf meiner Birne, ist nicht all zu schwer und bietet überdurchschnittliche Hardware. Auch wenn es beim Display hätte gerne etwas mehr sein dürfen, so ist dieses nicht schlecht. Die Reaktionszeit ist gut und dank des DisplayPort-Anschlusses, könnt ihr die Pico Neo 3 Link auch bequem am PC nutzen. Auch SteamVR-Games lassen sich nutzen oder gar Apps “sideloaden”.

 

Besonders fällt aber auf, dass ihr Zugriff auf den hauseigenen Store habt und sogar noch eine recht üppige Auswahl an autarken VR-Games erhaltet. Zwar ist die Auswahl zur Quest 2 deutlich geringer. Einige sehr hochwertige Titel findet ihr aber auch im Pico-Store. Es macht durchaus Spass die Beta-Brille zu testen und zu nutzen. Nur weil sie Beta ist, scheint es kein völlig unausgereiftes Produkt. Das merkt ihr auch an den Controllern, schliesslich ist die Neo 3 Link auf Basis der Neo 3 Pro und Meta Quest 2 entstanden. Genug Erfahrung steckt also dahinter.

 

Die Controller liegen gut in der Hand und werden über die beiliegenden AAA-Batterien betrieben. Sie verbinden sich natürlich drahtlos mit der Brille. Spannend ist auch die überdurchschnittlich hohe Akkulaufzeit. Denn wenn die Pico Neo 3 Link im Test hier der Meta Quest 3 etwas voraus hat, dann ist es der zusätzliche Akku im Hinterkopfband, der für eine längere Laufzeit sorgt. Das ist nicht nur ein nettes kleines Gegengewicht, sondern auch ein schicker Kniff, der mir persönlich gut gefällt.

Die Pico Neo 3 Link ist leicht und gut ausgestattet. Sie bietet im hinteren Teil auch einen zusätzlichen Akku. Bild: Pocket PC.ch / Pico

Stark: Das Display ist trotz der LCD-Technologie ausreichend schnell, Reaktionsstark und bietet eine gute Farbwiedergabe. Natürlich ist die Pico Neo 3 Link kein High-End-VR-Headset. Geringe Unschärfen sind an den Rändern halt schon zu erkennen, sind aber völlig im Rahmen und nicht weiter tragisch. Die Darstellung ist toll und vor allem über das DisplayPort-Kabel am PC ist diese sogar für diesen Preis fantastisch. Dank des Kabels habt ihr sogar 0 Verzögerungen und Half Life Alyx hat mich als SteamVR-Game hervorragend mit der Pico Neo 3 Link im ersten Test funktioniert.

ByteDance und TikTok: (Noch) Kein Account-Zwang, Datenschutzbedenken bleiben

Jetzt einmal zum offensichtlichen und es bereitet mir etwas Kopfzerbrechen. Die Pico Neo 3 Link ist ein Produkt der TikTok-Betreiber und soll schlussendlich nicht nur der Meta Quest 2 Konkurrenz machen, sondern will der Konzern wohl auch etwas vom Metaverse-Kuchen abhaben. Virtuelle Realitäten trenden seit der Ankündigung des Metaverse stark und TikTok ist als zweitgrösste Plattform natürlich darin bestrebt, etwas ähnliches aufzubauen. Jetzt ist Facebook kein unbeschriebenes Blatt und mir geht da einiges gewaltig gegen den Strich. Doch TikTok ist ebenfalls schlimm.

 

Das Unternehmen ByteDance untersteht seit dem Austausch einer der Unternehmensspitzen mittlerweile der chinesischen Regierung und wird für entsprechende Propaganda weltweit genutzt. Vor allem findet sich auf TikTok nun in den Vergangenen Monaten auch russische Propaganda, die vom Algorithmus gar aktiv verbreitet wird. Zudem werden Accounts mit LGBTIQ+ Hintergrund und Inhalten systematisch klein gehalten, indem die dafür verwendeten Hashtags aktiv verborgen und der Algorithmus entsprechend bearbeitet wird (sogenanntes Shadowbanning).

 

Um so erleichtert bin ich übrigens über den (noch?) aktuellen Fakt, dass die Pico Neo 3 Link keinen Account vorschreibt. Ihr könnt zwar euer TikTok-Konto verknüpfen, doch ist dieses nicht verpflichtend. Die Brille ist komplett ohne ein Konto nutzbar. Doch es handelt sich wie vom Hersteller selbst angekündigt um ein Beta-Modell. Kauft ihr euch eine Neo 3 Link, erhaltet ihr auf die nächste Brille, die sehr wahrscheinlich kein Beta-Produkt mehr sein wird gleich satte 35 Prozent Rabatt! Über ein Drittel des Kaufpreises fällt dann weg. Ich fühle mich da nicht all zu wohl mit, vor allem wenn ein Unternehmen wie ByteDance irgendwann einen Account-Zwang vorschreibt und die dann vorliegenden Daten an die chinesische Regierung weitergeben, wie nun mittlerweile auch bekannt wurde.

Die Knöpfe wirken im Druckpunkt leicht schwammig, aber insgesamt ist der Controller solide verarbeitet. Bild: Pocket PC.ch / Laser

Fazit: Ersteindruck zur Pico Neo 3 Link – Ein technisch starkes Produkt, aber…

Betrachten wir die Brille aus einem rein technischen Aspekt, dann haben wir mit der Pico Neo 3 Link ein Produkt vor uns, dass durchaus schon begeistern kann. Sie bietet zum gleichen Preis eine höhere Akkulaufzeit als die Meta Quest 2 und kann sogar noch direkt an den PC angeschlossen und als zusätzliche Anzeige genutzt werden. Zwar alles nur eine kleine Evolution zur Neo 3 Pro, doch immerhin die richtigen Schritte. Keine Frage: Die Pico Neo 3 Link macht absolut Spass und ist mit 449 Euro / Schweizer Franken auch ein toller Einstieg in die Welt der Virtual Reality.

 

Auf der anderen Seite kauft ihr mit der Pico Neo 3 Link ein vom Hersteller als Beta bezeichnetes Produkt. Das Modell ist nur auf ein Gerät pro Käufer*in beschränkt. Wer die VR-Brille kauft, wird also Teil des Betatests und soll auch gerne Feedback an das Unternehmen ByteDance senden, um bei der Entwicklung der nächsten Brille zu helfen. Habt ihr die Pico Neo 3 Link also tatsächlich gekauft, dann erhaltet ihr zudem satte 35 Prozent Rabatt auf den Kauf der nächsten Brille. Eigentlich ein starkes Angebot.

 

Doch dem steht einfach das TikTok-Unternehmen entgegen. Wir finden es zwar sehr positiv, dass es aktuell noch keinen Account-Zwang gibt, doch dieser könnte schon bald kommen, vielleicht sogar schon im nächsten Modell. Mit dem Wissen im Hintergrund, dass ByteDance die oben genannten Dinge bereits aktiv vollzieht und auch an die Regierung Chinas meldet, ist beängstigend. Schon allein Facebook entfacht in mir persönlich mit seiner Datenwut und dem angekündigten Metaverse ein sehr unbehagliches Gefühl. Dieses wird noch schlimmer, wenn ich an ein ähnliches Vorhaben aus China denke.

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