So. 02. Oktober 2022 um 7:18

Gigaset GL7 im Test: Günstige Lösung als Klapphandy mit WhatsApp und Co.

von Marcel Laser 0 Kommentare
Lesedauer: 5 Minuten

Es geht auch ganz ohne Google und Touchscreens. Zumindest wenn es nach dem Hersteller Gigaset geht, der mit dem GL7 ein sehr günstiges Klapphandy auf den Markt gebracht hat. Mit riesigen Tasten, einem Notfallknopf und einem Button speziell für WhatsApp richtet sich dieses vor allem an ältere Menschen, die sich mit der komplizierten Bedienung von Smartphones nicht auseinandersetzen möchten oder können. Wir haben das Modell ausprobiert, hadern aber mit dem Konzept.

Plastik-Haptik durch und durch – Verarbeitung in Ordnung und stabil

Das Gigaset GL7 zeigt sich im Test als Klotz, aber so richtig als Klotz. Es liegt sehr klobig in der Hand und Kunststoff ist das verwendete Hauptmaterial. Die Tasten sind enorm gross, der Bildschirm oben enorm klein und es befindet sich auf der Rückseite im unteren Stück ein Button für SOS (also Notfälle). Immerhin wirkt der Klotz sehr robust, trotz des viel verwendeten Kunststoff und der wirklich etwas billigen Haptik. So schnell dürfte hier nichts kaputt gehen, jedenfalls konnten wir das in unserem Test bislang nicht feststellen.

 

Auch der Klappmechanismus funktioniert gut und bleibt zuverlässig in der aufgeklappten Stellung. Das Gigaset GL7 kennt allerdings nur “geschlossen” und “aufgeklappt” als Zustand. Es in eine andere Position im Winkel zu bringen funktioniert hingegen nicht. Zudem knarzt das Modell ein wenig, aber es fühlt sich immerhin sehr solide in der Hand an. Wir denken also nicht, dass es nach längerer Nutzung auseinander fällt. Länger testen können wir das aber derzeit nicht.

 

Angenehm: Die Knöpfe sind sehr gross und der Druckpunkt geht in Ordnung. Ein sattes Klick bestätigt den Druck und man sieht auch auf dem Bildschirm in der gleichen Sekunde etwas passieren. Gerade die grösseren Tasten dürften vor allem den älteren Menschen durchaus eine Hilfe sein. Das kleine, integrierte Display allerdings wohl weniger. Dazu aber später mehr.


Hardware und KaiOS dürften viele Menschen unter- und überfordern

Da das Gigaset GL7 mit gerade einmal 109 Euro UVP bzw. nicht einmal 110 Schweizer Franken sehr günstig ist, steckt natürlich keine High-End-Technik im Gerät. Interessant: Der verbaute Prozessor wird auf der Webseite des deutschen Herstellers nicht einmal erwähnt. Dafür aber 512 MB RAM und 4 GB interner Speicher. Die Kamera auf der oberen Schale löst mit 2 MP auf und ist auch die Hauptkamera. Zudem gibt es WLAN a/b/n mit 2.4 GHz. Das kleine 2.8 Zoll grosse TFT-Hauptdisplay löst mit 240 x 320 Pixel auf. Auf der Oberschale ist zudem ein weiteres TFT-Display mit 1.77 Zoll Diagonale angebracht, das euch im zugeklappten Zustand über Nachrichten, die Uhrzeit und den Tag informiert. Besonders zum schmunzeln: Gigaset gibt an, dass bis zu 2000 Kontakte gespeichert werden können. Eine derartige Angabe haben wir seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen.

 

Das verwendete Betriebssystem ist übrigens KaiOS, das recht gut auf Knöpfe ohne Touchscreens angepasst ist. Die Bedienung innerhalb des Systems ist auch in weiten Teilen in Ordnung. Alles lässt sich über das Steuerkreuz in der oberen Mitte des Gigaset GL7 bedienen. Es gibt auch einen App Store, wo ihr weitere Programme herunterladen könnt. Zudem sind Facebook, WhatsApp und YouTube beispielsweise vorinstalliert. Die Bedienung ist der Hardware entsprechend flüssig, aber dennoch hakelig. Schliesslich gibt es nichts zum “echten” Scrollen, sondern geht alles nur per Klick. Manchmal aber auch nur mit Verzögerung wenn die App entsprechend gross ist.

 

Das führt dazu, dass die Bedienung zwar in Ordnung geht, aber zum Geduldsspiel wird. Es sind extrem viele Klicks nötig, um in die Einstellungen des Gerätes zu kommen. Ich habe fast 20 Minuten gebraucht um WLAN auf dem Gigaset GL7 im Test einzurichten, was aber schlussendlich auch an der T9-Tastatur liegt. Zudem ist nie ganz ersichtlich, wie Sonderzeichen am schnellsten oder besten eingegeben werden können. Wenn einen das schon als Technikspezialist überfordert, habe ich mich nicht so wirklich getraut, das Klapphandy in die Hand einer älteren Person zu geben.

Links rund 110 Euro bzw. SFr. und rechts stattliche 1200 Euro btw. SFr. Beides Top-aktuelle Klapphandys. Bild: PocketPC.ch / Laser

Richtig schlecht ist übrigens auch die 2 MP-Kamera auf der Rückseite. Bei nur leicht schwächeren Lichtverhältnissen, beispielsweise in Innenräumen mit künstlichem Lampenlicht, ist die Kamera nicht mehr zu gebrauchen. Die Bilder rauschen aber durch die niedrige Auflösung und dem ziemlich schwachen Sensor dahinter schon bei natürlichen Lichtverhältnissen stark. Es kommt also schon bei kleinsten Zoomen zu einem absoluten Pixelmatsch. Fotos solltet ihr damit definitiv nicht schiessen, sofern euch etwas an dem Moment, den ihr festhalten wollt, liegt.

Bedienung in Facebook, WhatsApp und YouTube ist richtig schlecht

Daher kann ich hier auch kein Schönreden betreiben. Die Bedienung ist extrem schlecht. YouTube funktioniert zwar, aber bis man ein Video gefunden hat und dieses dann auf dem richtig kleinen und schlecht auflösendem Bildschirm zum Abspielen bringt, dauert es eine ganze Weile. Die Anmeldung in der Google-App hat wieder fast eine halbe Stunde gedauert, da ich mit dem Finger nirgends drauftippen kann, sondern einen Mauszeiger Klick für Klick über das winzige Display bewege. Ein Klick sind ein paar Pixel weiter in die jeweilige Richtung. Ihr könnt zwar die Richtungstaste gedrückt halten um schneller zu scrollen, doch dann trefft ihr die Punkte durch das nachziehen des Systems nicht.

 

Das extrem kleine Display und die sehr haklige Bedienung dürfte es also für die deutlich ältere Generation definitiv nicht einfacher machen. Ich bin eigentlich so ziemlich der Auffassung, dass es wesentlich einfacher ist mit dem Finger auf ein Objekt zu tippen und dieses startet dann, als mit einem Navigationskreis einen Mauszeiger Pixel für Pixel zu bewegen.

Der Bildschirm ist wahnsinnig klein und im direkten, natürlichen Licht kaum zu sehen. Das erschwert auch die Bedienung im Freien. Bild: PocketPC.ch / Laser

Ordentliche Akkulaufzeit, Batterie wechselbar und ein Klinkenanschluss

Als in Ordnung empfinden wir übrigens die Akkulaufzeit. Zum Einsatz kommt ein Wechselakku mit 1400 mAh, den ihr über die abnehmbare Schale hinten einsetzen und entnehmen könnt. Das Gigaset GL7 schaffte im Test bei “normaler” Nutzung 1-2 Tage. Je nachdem was ihr damit macht. Allerdings hat ein Grossteil der Nutzung daraus bestanden, durch die Menüs und Webseiten zu navigieren und das hat eben enorm viel Zeit in Anspruch genommen. Aber sollten wirklich ältere Personen das Gerät nutzen und nur sehr wenig davor hängen (was wir Aufgrund der Bedienung eh empfehlen), dann sollte schon einiges an Standbyzeit machbar sein.

 

Schick finden wir auch, dass gleich zwei SIM-Karten installiert werden können und auch ein Schacht für microSD ist integriert. Zudem findet sich an der Seite ein 3.5-mm-Klinkenanschluss wieder. Im Lieferumfang sind zudem Kopfhörer beigelegt, die ihr aber getrost ignorieren solltet. Der Klang ist wirklich mies und sollte daher vernachlässigt werden.

 

Interessant ist zudem die ebenfalls im Lieferumfang enthaltene Ladeschale. Dort könnt ihr das Gigaset GL7 einfach reinstellen. Das Frontdisplay zeigt dann die Uhrzeit und den Tag an. Das sieht auf einem Arbeitsschreibtisch als zusätzliche Uhr nicht einmal so schlecht aus. Ein interessantes Gimmick, wenn das Reinfummeln des USB-C-Steckers nicht jedermanns oder jederfraus Sache ist.

USB-C-Anschluss flankiert von den zwei goldenen Lade-Pins. Ihr könnt das Modell auch in eine Ladeschale stellen, die dem Lieferumfang beiliegt. Bild: PocketPC.ch / Laser

Fazit: Für 110 Euro / Schweizer Franken gibt es definitiv besseres

Ich habe tatsächlich versucht das Gigaset GL7 im Test in vielen Dingen als Senioren-Handy zu sehen. Die drei Schnellwahltasten, die riesigen Buttons und der SOS-Knopf auf der Rückseite zeigen deutlich, dass sich das Modell an die wesentlich ältere Generation richtet. Allerdings tue ich mich sehr schwer dabei, die extrem fummelige Bedienung als Senioren-tauglich zu sehen. Meine Tante hatte in einem kleinen Versuch das Gerät zu bedienen massive Schwierigkeiten und empfindet es als wesentlich leichter mit dem Finger auf eine auf dem Touchscreen zu drücken, anstatt jetzt mit einem Steuerkreuz einen Mauszeiger zu navigieren.

 

Zudem fühlt sich das Gigaset GL7 sehr billig an. Ich halte das Modell zwar für robust genug, aber ein wertiger Eindruck will einfach nicht entstehen. Zudem ist die 2 MP Kamera auf der Rückseite extrem schlecht und eignet sich nicht einmal so wirklich für Schnappschüsse. Der Bildschirm ist sehr klein und da die Schrift im Internetbrowser und der gesamten Bedienung ebenfalls o klein ist, wird es für die Augen älterer Menschen meist noch wesentlich schlimmer sein.

 

 

Auf der einen Seite kann ich den Gedanken aber auch verstehen, ein Modell anzubieten, für Menschen, die den Touchscreen scheuen oder mit diesem tatsächlich nicht klar kommen. Spontan fallen mir auch keine direkten Alternativen ein. Eventuell die neu aufgelegten Retro-Modelle von Nokia. Die Hardware ist allerdings nahezu identisch zum Gigaset GL7 und laufen ebenfalls mit KaiOS. Einziger Vorteil: Sie werden nicht als Senioren-Handy beworben und die Bedienung dürfte jüngeren Personen, die einfach nur ein günstiges Zweithandy brauchen, nicht so schwer fallen.

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