Gaming Review: The Oregon Trail für Nintendo Switch

The Oregon Trail ist ein Klassiker der Videospiel-Geschichte, das im Jahre 1971 auf einem Mainframe in Minnesota entwickelt und im Geschichtsunterricht genutzt wurde. Grundlage für das Spiel ist der Oregon Trail, eine Route über die Rocky Mountains, die bei der Besiedelung des US-amerikanischen Westens im 19. Jahrhundert eine wesentliche Rolle spielte. The Oregon Trail von Gameloft beerbt nun die berühmte Spielereihe, die 2016 in die Video Game Hall of Fame aufgenommen wurde, wie nie zuvor. Als offizieller Nachfolger des globalen Phänomens will Gameloft eine moderne Version der Strapazen auf dem Weg von Independence nach Oregon bieten.
Neben iOS via Apple Arcade, PC via Steam und Microsoft Store gibt es The Oregon Trail von Gameloft auch für die Nintendo Switch. Grund genug, uns das Spiel auf der hybriden Gamekonsole genauer anzuschauen.
Inhaltsverzeichnis
Worum geht es in The Oregon Trail?
Im Spiel The Oregon Trail taucht ihr in aufregende Reisen ein, von historisch korrekt bis total extrem. Man wählt die Mitglieder der vierköpfigen Reisegruppe, belädt den Planwagen mit Vorräten und beginnt eine abenteuerliche Reise über rund 3500 Kilometer voller Entscheidungen, Gefahren und unerwarteter Situationen.
Schneestürme, gebrochene Gliedmassen, Schlangenbisse, Erschöpfung, Hunger und die gefürchtete Ruhr sind zu überleben. Durch ein ungezähmtes und unbekanntes Gebiet muss man die Gruppe neben ihrem Planwagen marschierend führen, bevor der Winter hereinbricht und alles verloren scheint.
Neben den traditionellen Entscheidungen, wie gross die Essensrationen und wie stramm die Marschgeschwindigkeit ist, gibt es jedoch auch eine Menge Abwechselung auf dem Trail nach Oregon. So spürt man etwa eine vermisste Gruppe nach einem Schneesturm auf, transportiert explosives Schiesspulver durch die Wüstenhitze, nimmt an Jagd-Minispielen teil und trifft viele historische Persönlichkeiten. Damit erfährt man auch erstmals mehr über die verschiedenen indigenen Völker und die Auswirkungen der Auswanderung in der Zeit des Wilden Westens.
Gleichzeitig muss man auch die Gesundheit, Moral, Ausdauer und Hygiene der Gruppenmitglieder im Auge behalten. Nur so kann die beschwerliche und gefährliche Reise gelingen.
Darüber hinaus gibt es gleich 15 spielbare Reisen zu meistern, nicht nur den klassischen Oregon Trail, und sieben, von historischen Ereignissen inspirierte Aufgaben.
Graphik und Sound
Zunächst einmal wartet The Oregon Trail mit einer interessanten Mischung aus Pixelkunst-Charakteren, 3D-Umgebungen und moderner Beleuchtung sowie visuellen Effekten auf. Während alle Figuren und Tiere als pixelige 2D-Sprites auftauchen, sind Hintergrund und Wetter, Licht und Dialoge deutlich aufwändiger gestaltet und passen gut ins Jahr 2022. Als kleine Hommage an die klassischen Oregon Trail-Spiele für CPM, Apple II und DOS kann man die Pixelart durchaus verstehen. Ebenso zeigt sich das Erbe an dem Grün wie bei den berüchtigten Kathodenstrahlröhrenbildschirme von damals, das Menü und Bedienelemente ziert. Damit schafft Gameloft in The Orgeon Trail einen recht einzigartigen visuellen Stil, der nostalgisch und zeitgemäss gleichermassen wirkt. Damit ist das Settler-Spiel zwar nichts graphisch herausragendes, aber das Game schafft den Spagat dennoch angemessen sowie passend mit gelungener Referenz zum Original und mit einem gewissen Charme, dem man sich nur schwer entziehen kann.
Der Soundtrack, den Gameloft als Alternative Country-inspirierter, bezeichnet, ist wiederum grandios. Während Musik durchaus noch mehr Geschmackssache sein mag als Videospielgraphik, vermag Nicolas Dubé, der sich verantwortlich zeigt für die 15 Hintergrund-Tracks, die auch als Soundtrack bei Universal Music erschienen und frei auf YouTube erschienen sind, vollends zu überzeugen. Stimmungsvolle, komplex arrangierte Musik, Untermalung und Immersion gleichermassen bieten die Stücke und passen grandios zu The Oregon Trail.
Kombiniert wird der Soundtrack mit 8-Bit-Soundeffekten, die wieder an das Original erinnern. Das stört jedoch das Spielerlebnis keineswegs, sondern setzt die Mischung aus Nostalgie und Moderne aus der Game-Graphik konsequent fort.
Video: Gameloft / Universal Music Group
Steuerung und Einstellungen
Die Steuerung des Spiels ist recht simpel gehalten und lässt sich nicht individuell anpassen. Einzig die Empfindlichkeit der Analog-Sticks kann konfiguriert werden. Die Schultertasten blättern durch Menüreiter durch, Mit A wird eine Auswahl, die per Joycon- oder D-Pad gemacht wird, bestätigt, mit B abgebrochen. X öffnet das Invertar, Y “sammelt” Tiere am Wegesrand ein, Plus öffnet die Karte und Minus die Einstellungen.
Dort können neben den Lautstärken für Musik und Effekte sowie insgesamt die Sprache der Bildschirmtexte zwischen Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch, Japanisch, Koreanisch, Niederländisch, Portugiesisch, Russisch und Chinesisch gewählt werden. Zudem können visuelle Effekte, wie CTR- Interlacing als Simulation des Zeilensrungverfahrens aktiviert werden. Unter Zugänglichkeit kann der Hintergrundkontrast erhöht, Timer von gewissen Ereignissen und das Bildschirmwackeln deaktiviert werden sowie Tiere automatisch einsammeln lassen. Dann wird die Fauna der Neuen Welt selbstständig ins Tagebuch eingetragen und man kann sich auf das Managen des Wagens und seiner Gruppe konzentrieren.
Schade, dass keine Touchscreen-Bedienung bei The Oregon Trail auf der Nintendo Switch, auch nicht im Handheld-Modus möglich ist. Es muss immer auf mindestens einen Controller zurückgegriffen werden, obschon die Nintendo Switch ja auch auf Berührungssteuerung ausgelegt wird. Aber viele Spiele auf der hybriden Konsole, auch Premium- und gar Nintendos eigene Titel, machen einen Bogen um den Touchscreen.

Gameplay von The Oregon Trail
Die über hundert zufällig ausgewählte Ereignissen, bei denen sich unsere Entscheidungen auf die Gruppe und zukünftige Ereignisse auswirken, ist jedes Spiel dieses Single-Player-Abeneuers eine neue Version, bei der man sich um alles kümmern muss. Sonst werden Gruppe, Wagen und Ochsen Opfer des Trails.
Die Gruppe stellt man zu Beginn einer Reise aus vier Personen zusammen, die aus verschiedenen Klassen ausgewählt werden kann. Missionarinnen, Abenteurer, Bankerinnen und mehr kommen so mit eigenen Startelementen, Fertigkeiten und Persönlichkeiten zusammen, um jede Reise nach Oregon einzigartig zu machen. Wie gut man die Aufgaben und einzelnen Ereignisse unterwegs meistert, ist nämlich auch von den Fertigkeiten und Eigenschaften der Reisenden abhängig.
Ansonsten ist das Spiel von überschaubarer Action geprägt. Zumeist überwacht man wie im Originalspiel auch die einzelnen Eigenschaften und Anzeigen der Gruppenmitglieder und hofft, dass die Ruhr an einem vorüberzieht. Man verwaltet das begrenzte Inventar und lagert so viel wie möglich im Wagen, den man auch ständig warten und reparieren muss, um Pannen und Lagerverluste durch Verderben oder Herausfallen zu verhindern. Die Entscheidungen sind auch nicht alle ganz einfach. Manche sind auch herzzerreissend, wenn man eine andere Gruppe mit kleinen Kindern alleine zurücklassen muss und nur wenig Hoffnung besteht, dass sie das überstehen werden. Andere sind eher unterhaltsam bis komisch, etwa wenn man gescheiterte Erfinder begleitet oder Musikerinnen und Liebespaare zusammenführt.
Das interaktive Tagebuch bietet zudem Informationen über echte Personen und Orte und eine Sammlung der vielen Tiere, denen man auf dem Weg nach Oregon begegnet. Manche, etwa über 80 Fischarten, fängt man dazu im neuen Angel-Minispiel. Die Minispiele für die Jagd und die Flossfahrt sind mit originalgetreuem Gameplay und überarbeiteter, neuer Grafik zurück in The Oregon Trail. Das Spiel wartet mit mehr als 140 Auszeichnungen und Erfolgen auf, die es zu erspielen gilt.
Man merkt dem Gameloft-Titel an, dass gründliche Forschung und akademische Beratung an der Produktion beteiligt waren. Die historische Genauigkeit von Schauplätzen und Ereignissen allenthalben ist nicht von der Hand zu weisen, wenn man das eine oder andere etwa auf Wikipedia nachlesen mag. Besonders hervorgehoben wird auch die respektvolle Darstellung aller im Spiel dargestellten Völker. Das ist in der Oregon Trail-Reihe wiederum neu und geht einher damit, dass auch erstmals angehörige der Native Amerikans gespielt werden können und auch deren NPC nicht mehr nur Schurken oder eindimensional dargestellt werden. So enthält das Spiel nun nicht mehr nur die Geschichte der Besiedelung durch Menschen aus Europa und Afrika, sondern auch die Geschichten der amerikanischen Ureinwohner und die Kulturen der Völker, die zuerst auf dem nordamerikanischen Kontinent lebten und auch heute noch dort leben.
Screenshot: PocketPC.ch / Jeanrenaud
Das alles klappt gut. Schade nur, dass keine Sprachausgabe verfügbar ist. Die Texte sind teilweise so liebevoll und komisch geschrieben, dass man nur zu gerne die stimmen dazu hören würde. Auch schade, dass das Spiel regelmässig abstürzt, wenn man die Nintendo Switch aus dem Standby weckt und man ab und zu auf Fehler bei der deutschen Textausgabe, etwa nicht geparste Platzhalter, stolpert, oder dass ein Plural mit Klammern aufgelöst wird anstatt dass die Variable zuvor im Hintergrund überprüft wird. Ein Text wie “noch 1 Tag(e)” sieht einfach nicht gut aus und muss wirklich nicht sein. Die zwei Zeilen Code hätten The Oregon Trail gut getan.
Eine Online-Anbindung beschränkt sich auf eine Highscore und Statistiken Community-Ziele und sowie wöchentliche Herausforderungen. Kann man machen, muss man aber nicht.
Preis und Fazit zu The Oregon Trail
The Oregon Trail ist ein offiziell lizenziertes Spiel von HarperCollins Productions, für das Gameloft einen stolzen Preis von 29,99 Euro bzw. 31.- SFr. für PC via Steam und Microsoft Store verlangt. Für Apple iOS ist das Spiel in Apple Arcade inbegriffen. Im Nintendo Switch eStore kostet The Oregon Trail 37.50 SFr. bzw. 29,99 Euro und kommt mit einer Altersfreigabe ab 12 Jahren nach USK bzw. ab 7 Jahren bei PEGI.
Insgesamt ist The Orgeon Trail von Gameloft ein überraschend unterhaltsamer Nachfolger des Klassikers, den man übrigens auch als Original im Browser bei der Tourismusseite von Oregon und auf Archive.org in der DOS-Version von 1990 spielen kann. Mit einem gelungenen graphischen und akustischen Mix aus retro und modern sowie sanft angepasstem Gameplay und aktualisierter Steuerung vermag The Oregon Trail zu überzeugen.
Schade nur, dass es auch über einen Monat nach Release noch Bugs, vornehmlich bei der deutschen Übersetzung und Abstürze beim Aufwecken aus dem Standby gibt, sowie dass keine Touchscreen-Steuerung und keine Sprachausgabe verfügbar sind. Wenn das Single-Player-Abenteuer mit minimaler Online-Anbindung die Bugs per Update beheben würde, wäre viel gewonnen. So oder so kann man The Orgeon Trail, gerade wenn wie aktuell im Sale bis zum 8. Januar mit 30 Prozent Preisnachlass für die Nintendo Switch erhältlich ist, durchaus mit gutem Gewissen kaufen und bekommt für unzählige Stunden abwechslungsreiche und historisch interessante Unterhaltung geboten. Sonst ist es vielleicht für die eine oder den anderen etwas teuer.
Video: Gameloft
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