Gaming Review: Harry Potter Hogwarts Mystery im Test – Harry Potter und das unerklärliche Warten

Ich habe mich wirklich höllisch auf das Spiel gefreut: Eigene Geschichte schreiben, am Unterricht teilnehmen, Freundschaften knüpfen und den Ausgang der Geschichte damit selbst bestimmen. Alles klang durchaus hervorragend, ist auch in Teilen eingetreten, aber das Spielprinzip macht einem einige Striche durch die Rechnung. Wir haben uns das Spiel genauer angeschaut und sind für euch in die Zauberei-Ausbildung gegangen.
Inhaltsverzeichnis
Toller Einstieg mit weiblichem Draco und einer männlichen Hermine
Klingt ja in erster Linie gar nicht schlecht. Am Schulalltag teilnehmen, eine eigene Geschichte entwickeln, alles Dinge, die Fans der Bücher und Filme wohl mit grosser Sehnsucht entgegenfiebern. Auch ich habe mich als grosser Fan immer gefragt, wie es denn wäre durch die majestätischen Hallen und Gänge von Hogwarts zu schreiten und die Ankündigungen von Jam City klangen da schon wie ein in Fleisch und Blut gegossener Traum. Der Hypetrain fuhr daher schon sehr zeitig auf dem Gleis Neundreiviertel ein und fuhr mit voller Kraft voraus, danach aber leider auch voll gegen eine Paywall.
Eure (fast) eigene Geschichte beginnt auch ziemlich aufregend. Nicht nur, dass ihr euren eigenen Charakter mit komplett eigenem Namen zusammenbaut, ihr trefft zu Beginn auch sofort zwei weitere Schulfreunde, die sehr deutlich an zwei Charaktere aus dem Buch erinnern. Rowan ist eindeutig die schlaue und ziemlich besserwisserische Hermine in männlicher Form. Merula kommt aus dem Haus Slytherin und hat euch sofort auf dem Kieker! Dreimal dürft ihr raten, wem dieses Mädchen nachempfunden wurde? Draco Malfoy, der wahrscheinlich geschichtlich gesehen grade erst seine ersten Windeln vollmacht, lässt an dieser Stelle wahrlich grüssen.
Generell werdet ihr viele Charaktere treffen, die sehr an andere Protagonistinnen oder Protagonisten aus den Büchern und Filmen erinnern. Ben Copper beispielsweise könnte eine Art Neville Longbottom sein. Allerdings ist hier die Ähnlichkeit nicht ganz so dominant, wie bei den beiden anderen Figuren. Übrigens wechseln die Geschlechter einiger Probanden je nach der Wahl des Geschlechts eures eigenen Charakters. Rowan kann also auch weiblich sein, dann passt die Referenz zu Hermine sogar noch besser.
Zeitlich spielt Harry Potter: Hogwarts Mystery übrigens bis zu vier Jahre nach Harrys Geburt. Angekommen als Erstklässler_in in der grossen Halle von Hogwarts erklärt euch Schulleiter Dumbledore höchstpersönlich, dass Harry Potter in Sicherheit gebracht wurde und es keinen Grund zur Sorge gebe. Eine genaue Zeitangabe gibt es aber erst einmal nicht, aber da Harry in keinem der Jahre vorkommt, darf man davon ausgehen, dass es mindestens vier Jahre nach seiner Geburt abläuft, da ihr ja alle sieben Jahre der Schule durchlauft.

Die eigene, aber doch fremde Geschichte eines anderen?
Schnell wird allerdings klar, dass es nicht darum geht, eure eigene Geschichte in Hogwarts zu schreiben, sondern die Geschichte eines eher fremden Charakters zu gestalten. Ihr dürft zwar Geschlecht und Name frei wählen, aber letztendlich bekommt ihr direkt in den ersten fünf Minuten eine Story vorgesetzt: Ihr habt nämlich einen deutlich älteren Bruder, der in Hogwarts auf der Suche nach verlorenen und mysteriösen Verliessen sehr viel Mist angestellt hat, deswegen von der Schule flog und obendrein noch Schande über sein Haus gebracht hat. Zufällig ist es immer das Haus, welches ihr anfänglich wählt. Verschwunden ist der ominöse Bruder übrigens obendrein auch noch! Herrje, das fängt ja gut an.
Was auch der Grund ist, warum euch die meisten Schüler und Schülerinnen eher misstrauisch beäugeln, da sie fürchten, dass ihr genauso verrückt seid und einen schlechten Ruf über die Schule bringt, wie einst euer Bruder, welcher obendrein aber ein sehr guter Schüler gewesen sein soll. Diesen wollt ihr wiederfinden, genauso wie die verwunschenen Verliesse in Hogwarts. Geschichte wiederholt sich eben.
Und eine eigene Geschichte schreibt ihr also wahrlich nicht, denn diese ist komplett vorgegeben. Auch die Freunde und Freundinnen, die ihr in Hogwarts macht, sind alle schon im Vorfeld ausgesucht und können je nach Fortschritt freigeschaltet werden.

Klicken, Warten, Klicken, Warten, Wischen, Klicken, Warten. Pay-2-Play-System in Reinkultur.
Da bereits vor dem Release ein grosser Traum im Raum stand, wo man durch einige genannte Features durchaus ins Schwärmen kam, erschwert die Sache dann noch einmal deutlich. Wer glaubt, sich frei in Hogwarts bewegen zu können, wird anfänglich ziemlich enttäuscht. Ihr klickt im Navigationsmenü auf den Bereich (Ost-, Westtürme, Kerker, Haupthalle etc.) wo ihr hin wollt. Eure Figur stellt sich dann an den Anfang des Ortes und ihr könnt dann seitlich durch das Bild scrollen, um euch die Gegend anzuschauen. Die Figur selbst läuft allerdings keinen Meter.
Einen festen Zeitplan für Unterrichtsstunden gibt es übrigens auch nicht, also könnt ihr jedes Klassenzimmer besuchen (Zaubern, Zaubertränke, Besenflugstunden) wann und wo ihr wollt. Ihr könnt sogar den Unterricht mitten in der Sitzung verlassen und woanders hingehen. Snape hätte alle für eine solche Frechheit übrigens ohne Hagrid oder Fang in den verbotenen Wald geschickt! Was einen auch ein wenig aus der Immersion reisst, hier wirklich am Unterricht teilzunehmen. Es ist im Prinzip völlig egal wann, wie und wo ihr am Unterricht teilnehmt, Hauptsache ihr spult einfach irgendwas ab, um im Nachhinein eure Fähigkeiten zu verbessern.
Letztere Teilen sich dann in die drei Hauptkategorien Tapferkeit, Empathie und Wissen auf. Jeder dieser drei Teilbereiche lässt sich in unterschiedlichen Unterrichtsfächern steigern. Sie dienen dazu, in bestimmten Quests erhöhte Chancen auf Erfolg zu haben, da diese Werte hohen Einfluss auf deren Ausgang nehmen. So ist es mit Empathie deutlich einfacher, einem Freund oder einer Freundin Mut zuzusprechen oder mit Tapferkeit ist es leichter, in Duellen zu bestehen.
Wer will, kann aber auch den Vorgaben des Spiels folgen. Im Menüreiter für Aufgaben lassen sich die Story-Quests direkt absolvieren, sofern diese freigeschaltet sind, was etwas dauern kann. Auch lässt sich hier der Unterricht etwas geordneter planen, da ihr mit einem Klick Lektionen annehmen könnt, um so die Zauber und Dinge in einer Reihenfolge zu lernen.
Das Lernen ist übrigens teilweise schon hart an der Grenze des Spielbaren. Im Prinzip spielt man nicht einmal richtig, sondern man klickt blauleuchtende Dinge auf dem Bildschirm an, was pro Klick einen Energiepunkt kostet. Ist eure Energie erschöpft, müsst ihr das Spiel zur Seite legen und warten, bis sich diese regeneriert hat und das in einem Intervall von einem Punkt in vier Minuten. Am Anfang besitzt ihr einen Energiebalken von 24 Punkten, was letztendlich bedeutet, dass ihr im schlimmsten Fall 96 Minuten warten müsst, bis alles wieder aufgeladen ist. Nach gut vier Tagen habe ich mittlerweile 25 Energiepunkte. Macht die Sache aber nicht wesentlich besser.

Zudem lassen sich die Unterrichtsstunden in drei Grade einteilen: Eine Stunde, drei Stunden und acht Stunden, in denen ihr unterschiedlich viele Sterne verdienen könnt. Um so mehr Sterne, um so mehr Bonuspunkte gibt es für eure drei Talente, allerdings dauert es auch länger, bis die Unterrichtsstunde abgeschlossen ist. Es ist kein Muss, diese in der vorgegebenen Zeit zu schaffen, es muss immer nur die Mindestanforderung gelöst werden, alle anderen Sterne sind nur Zusatz, erhöhen aber euer Level.
So kann es aber passieren, dass ihr für einen oder zwei Sterne eure gesamte Energie verbraucht und dann das Spiel nach circa einer Minute wieder aus der Hand legen müsst. Dann wartet man, bis man wieder Energie hat und weitere blaue Dinge anklicken kann. Erreicht ihr einen Stern, muss meist noch eine Spezialaufgabe gelöst werden, die euch die Lehrkräfte dann entweder als Frage stellen, euch auffordern, irgendwelche Symbole auf dem Bildschirm zu wischen oder eine Konzentrationsaufgabe zu lösen. Letzteres ist übrigens immer das Selbe: Einen grösser werdenden Ring innerhalb eines sehr kleinen Kreisbereichs anzutippen.
Sollte euch die Energie ausgehen, ihr aber ein gut gefülltes Sparkonto oder Kreditkarte besitzen, dann könnt ihr auch euer Geld in inApp-Käufe investieren. So dürft ihr etwa zehn Energiepunkte für knapp unter einen Euro/SFr. auffüllen. Diese reichen aber, wenn es hochkommt, nur für einen einzigen Stern in einer Unterrichtsstunde. Danach ist wieder Ende. Entweder legt ihr das Spiel einfach nach rund einer Minute für über eine Stunde zur Seite oder ihr pumpt ein “wenig” Echtgeld ins System.

Fazit: Hoher Wiedererkennungswert als Fanservice reicht nicht immer aus
Was allerdings wirklich gut gemacht ist, ist der sehr hohe Wiedererkennungswert der euch mit viel Charme in allen Bereichen versucht, um den Finger zu wickeln und auch schafft. Zumindest für Fans der Bücher. Egal ob Severus Snape, Albus Dambledore, Filius Flitwick und viele weitere Charaktere, dazu auch die malerische Kulisse und der herausragende Soundtrack, welcher zu den besten im Smartphone-Sektor gehört, überzeugen durchaus. Auch an die Hausgeister, die Elfen oder den Trainingsplatz fürs Quidditch hat man gedacht. Es gibt so viele Referenzen, die Fans an diesem Spiel lieben werden und vieles in dieser Richtung fühlt sich sehr nach der Welt von Harry Potter an.
Man wird allerdings immer wieder aus dieser brutal herausgerissen, indem man teils irrsinnige Wartezeiten auf sich nehmen muss. Einfach nur zwanzig blauleuchtende Dinge anklicken und dann über eine Stunde warten, bis man wieder nur ein bis zwei Minuten spielen kann ist schon wahnsinnig “schräg”. Ob Hardcore-Fans diesem System gegenüber noch wohlwollend eingestellt sein können, bleibt abzuwarten.
Ich hätte durchaus ohne zu zögern einen ordentlichen Preis für einen offenen Harry Potter Titel hingeblättert, der mich nicht alle paar Minuten aus der Immersion reisst. Es handelt sich hier zwar nicht um ein Pay-2-Win-System, da es keine PvP-Inhalte gibt, aber um ein hart an der Grenze agierendes Pay-2-Play-Schema, welches euch mit aller Macht mehrmals gegen eine Bezahle-oder-warte-Wand rennen lässt. Titel wie Summoners War: Sky Arena schaffen es auch, euch locker fast eine Stunde an den Bildschirm zu fesseln, ohne dass ihr alle zwei Minuten über eine Stunde auf neue Energie warten müsst.
Klar, auf Smartphones lässt sich eine grosse Masse erreichen und man will Harry Potter: Hogwarts Mystery möglichst vielen Menschen näher bringen. Zum anderen will man die Leute auch so lange es geht im Spiel halten, vor allem schon deswegen, weil die Story sonst in wenigen Stunden durchgespielt wäre. Und verdienen will das Studio letztendlich auch noch damit. Aber eine derart aggressive Mikrotransaktions-Politik zerstört nicht nur die Immersion, sondern auch letztendlich den Spielspass, der nach zwei Minuten blaue Sachen anzuklicken, um dann wieder zu warten, nicht aufkommen will. Schade.
Hey ihr Muggel! Wir haben aktuell ein Gewinnspiel zu Harry Potter online: https://www.pocketpc.ch/magazin/news/vermischtes/verlosung-harry-potter-fan-artikel-64971/