Mo. 22. April 2024 um 6:51

US-Gericht entscheidet, die Polizei kann Verdächtige zwingen, ihr Telefon per Fingerabdruck zu entsperren

von Yves Jeanrenaud 0 Kommentare
Lesedauer: 2 Minuten

Der in der US-Verfassung verankerte Schutz davor, sich Selbst nicht belasten zu müssen, verbietet es Polizeibeamten nicht, eine verdächtige Person zu zwingen, das Smartphone mit einem Fingerabdruck-Scan zu entsperren. Dies entschied nun Bundesberufungsgericht. Das Urteil gilt nicht für alle Fälle, in denen biometrische Daten zur Entsperrung eines elektronischen Geräts verwendet werden, ist aber eine wichtige Entscheidung in einem bislang ungeklärten Rechtsbereich.

 

Das US-Berufungsgericht für den 9. Gerichtsbezirk musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob die erzwungene Verwendung von Paynes Daumen zur Entsperrung seines Telefons eine Zeugenaussage war. Das Urteil im Fall “Vereinigte Staaten gegen Jeremy Travis Payne” ist nun gefallen. Bislang hatten sich weder der Oberste Gerichtshof noch andere Gerichte mit der Frage befasst, ob die erzwungene Verwendung eines biometrischen Merkmals zum Entsperren eines elektronischen Geräts eine Zeugenaussage darstellt.

 

Ein Dreiergremium des 9. Bundesberufungsgerichts entschied einstimmig gegen Payne und bestätigte damit die Ablehnung seines Antrags auf Unterdrückung von Beweismitteln durch ein US-Bezirksgericht. Payne war ein kalifornischer Strafentlassener, der von der California Highway Patrol nach einer Verkehrskontrolle im Jahr 2021 festgenommen und wegen des Besitzes von illegalen Drogen angeklagt wurde.


Fingerabdruckscanner
Fingerabdruckscanner. Bild: DALL-E, eigener prompt

Vor dem Bezirksgericht war umstritten, ob ein Polizeibeamte Paynes Daumen gewaltsam zum Entsperren des Telefons benutzt habe. Für die Berufungsverhandlung wurde der Darstellung des Angeklagten aber zunächst gefolgt.

 

Paynes Anspruch auf den Fünften Verfassungszusatz (Verbot der Selbstbezichtigung) “beruht ausschliesslich darauf, ob die Verwendung seines Daumens implizit bestimmte Tatsachen mit den Beamten in Verbindung gebracht hat, so dass er sich auf das Privileg gegen Selbstbelastung berufen kann”, so das Urteil.

 

Die Richter wiesen seine Forderung auf Beweismittelunterdrückung zurück und stellten fest, dass den Beschuldigten zu zwingen, mit seinem Daumen das Smartphone zu entsperren, dass er zuvor als seines identifizierte, sei in Ordnung gewesen.  Weil es “keine kognitive Anstrengung erforderte”, sei es wie eine Blutabnahme oder die Abnahme von Fingerabdrücken bei der Festnahme zu bewerten.

 

“Als Officer Coddington Paynes Daumen benutzte, um sein Telefon zu entsperren – was er auch hätte tun können, wenn Payne bewusstlos gewesen wäre -, griff er nicht in den Inhalt von Paynes Verstand ein”, so das Gericht weiter.

iPhone 15 Pro Farben
Auch mit Daumenabdruck zu entsperren: Das Apple iPhone 15 Pro. Bild: Apple

Kognitive Anstrengung als Schlüssel

Die Gegenseite argumentierte, dass Verwendung biometrischer Daten zum Entsperren wie ein Schlüssel zu einem Tresor sei, aber weil es Besitz und Authentifizierung des Inhalts gleichzeitig bestätigt, sei es vielmehr eine Zeugenaussage. Das Berufungsgericht wies dies ab, da der Beschuldigte nicht gezwungen wurde, belastendes Material zu bestätigen, sondern nur den Zugang zu einer potenziellen Informationsquelle gewähren. Dazu verwies das Gericht auf ältere, Urteile des Supreme Courts zur Frage von Zeugenaussagen.

 

Die wichtige Frage für das 9. Bezirksberufungsgericht war dabei der mentale Prozess, der mit einer erzwungenen Handlung verbunden ist. Nur wenn diese Handlung implizit die Existenz, die Kontrolle oder die Echtheit eines potenziellen Beweismittels mitteilt, könne dies als Zeugenaussage gewertet und damit per Verfassungszusatz geschützt werden.

 

Das Gericht betonte in seiner Urteilsbegründung aber auch, dass das nicht automatisch übertragbar auf alle Fälle von erzwungenem biometrischen Entsperren gelten würde. Es müsse im Einzelfall jeweils abgewogen werden, ob es lediglich um einen Zugang zu Daten oder um ein Bezeugen von Informationen geht.

 

 

Quelle: UScourts (Englisch) via ars technica (Englisch)

 

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