Mi. 19. Februar 2025 um 10:07

User Tracking: Apple gegen das Bundeskartellamt wegen ATTF

von Yves Jeanrenaud 0 Kommentare
Lesedauer: 4 Minuten

Nachdem das Bundeskartellamt in Deutschland bereits im Jahr 2023 festgestellt hatte, dass Apple eine herausragende Marktstellung geniesst, nimmt sich die Wettbewerbsbehörde aus Bonn nun Apples firmeneigene Tracking-Technologie vor. Das App Tracking Transparency Framework (ATTF) könnte ihrer Ansicht nach den Wettbewerb beeinträchtigen.

Bundeskartellamt gegen Apples ATTF

Das Bundeskartellamt hat eine vorläufige Bewertung des App Tracking Transparency Frameworks (ATTF) von Apple veröffentlicht. Die Behörde sieht mögliche Verstösse gegen das Wettbewerbsrecht, da Apple strengere Datenschutzvorgaben für externe Anbieter und Anbieterinnen festlegt, als für sich selbst. Nun ist das Unternehmen aus Cupertino aufgefordert, zu diesen Vorwürfen Stellung zu nehmen.

 

Seit der Einführung des ATTF im April 2021 müssen App-Developer im iOS App Store eine explizite Zustimmung der Menschen einholen, bevor sie deren Daten für Werbezwecke verarbeiten dürfen. Diese Regelung gilt jedoch nicht in gleichem Umfang für Apple, das eigene Werbeanzeigen im App Store schaltet und hierfür auf Daten aus verschiedenen Diensten zurückgreift. Das Bundeskartellamt sieht darin eine potenziell wettbewerbswidrige Selbstbevorzugung.

 

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts in Bonn, betont, dass Apple über ein weitreichendes digitales Ökosystem mit Zugang zu umfangreichen Nutzer:innendaten verfügt. Während andere App-Developer durch das ATTF erheblich eingeschränkt werden, kann Apple weiterhin Daten aus seinen eigenen Diensten kombinieren und für Werbezwecke nutzen. Die Wettbewerbsbehörde stellt daher infrage, ob Apple mit dieser Ungleichbehandlung gegen das Wettbewerbsrecht verstösst.

 

Schon im April 2023 hatte das Bundeskartellamt festgestellt, dass Apple aufgrund seiner marktübergreifenden Bedeutung für den Wettbewerb der erweiterten Missbrauchsaufsicht unterliegt. Gegen diese Einstufung legte Apple Beschwerde ein, über die derzeit der Bundesgerichtshof entscheidet.

Was ist das ATTF und was wird daran kritisiert?

Das ATTF begrenzt das sogenannte Third-Party-Tracking, bei dem Userdaten über mehrere Apps und Unternehmen hinweg gesammelt werden. Für Apple selbst greifen diese Beschränkungen jedoch nicht in gleichem Masse. Während andere Apps verschiedene Genehmigungen einholen müssen, sind die entsprechenden Abfragen für Apple-Dienste weniger streng formuliert. Zudem sei die Gestaltung der Einwilligungsabfragen bei Apple userfreundlicher als bei externen Developern, was eine bevorzugte Behandlung des Konzerns nahelegt.

Das Bundeskartellamt identifiziert drei zentrale Problemstellungen:

  1. Apple definiert den Begriff Tracking so, dass ausschliesslich unternehmensübergreifende Datenverarbeitung darunterfällt, während die eigene Nutzung von Daten nicht den gleichen Einschränkungen unterliegt. Apple nimmt sein Verfolgen von Nutzungsverhalten, entsprechend First-Party-Tracking genannt, explizit aus der Tracking-Definition aus.
  2. Nutzer:innen von Apps anderer Developer müssen bis zu vier aufeinanderfolgende Einwilligungsabfragen durchlaufen, während Apple-Apps maximal zwei erfordern.
  3. Die Darstellung der Einwilligungsoptionen ist so gestaltet, dass Menschen eher der Datenverarbeitung durch Apple zustimmen, während sie bei Drittanbietern häufiger ablehnen.

Diese Einschränkungen im Wettbewerb betreffen nicht nur App-Developer, sondern ebenso Werbetreibende und technische Dienstleistungen. Das Bundeskartellamt arbeitet in dieser Untersuchung eng mit der Europäischen Kommission sowie weiteren nationalen Wettbewerbsbehörden zusammen, die ebenfalls ähnliche Prüfverfahren gegen Apple eingeleitet haben. Eine endgültige Entscheidung über die kartellrechtliche Bewertung des ATTF steht jedoch noch aus.


Verbände stehen hinter der Behörde

Ausgangspunkt des Verfahrens des Bundeskartellamts war pikanterweise eine Beschwerde führender Verbände aus der Medien-, Internet- und Werbewirtschaft – darunter der Markenverband – aus dem April 2021. Daraufhin leitete das Bundeskartellamt im Juni 2022 ein Verfahren gegen Apple wegen des möglichen Missbrauchs von Marktmacht ein. Bereits damals bestanden erhebliche Zweifel daran, ob Apple in wettbewerbskonformer Weise mit Userdaten umgeht, da das Unternehmen Regeln aufstellt, die für andere gelten, jedoch nicht für Apple selbst.

 

Mit Einführung des ATTF im April 2021 sind App-Anbieter im iOS App Store verpflichtet, eine zusätzliche Zustimmung der User einzuholen, bevor sie bestimmte Daten zu Werbezwecken nutzen dürfen. Diese strengen Vorgaben des ATTF betreffen jedoch ausschliesslich Drittanbieter, nicht aber Apple selbst. Nach der vorläufigen Einschätzung des Bundeskartellamts könnte dies einen Verstoss gegen die besonderen Missbrauchsvorschriften für grosse Digitalunternehmen (§ 19a Absatz 2 GWB) sowie gegen die allgemeinen Missbrauchsbestimmungen des Artikel 102 AEUV darstellen.

 

Mehrere Verbände, darunter der Markenverband, die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) sowie der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), begrüssen die Entscheidung des Bundeskartellamts, Apple wegen seines ATTF abzumahnen.

 

Dr. Bernd Nauen, Hauptgeschäftsführer des ZAW, äussert sich zufrieden über die vorläufige Einschätzung der Behörde:

“Wir sind für unsere Mitglieder und die gesamte Medien- und Werbeindustrie sehr zufrieden. Die Entscheidung ist zu begrüssen und das Bundeskartellamt hat die ihm zugewiesene Aufgabe des Wettbewerbsschutzes sehr ernst genommen. Unsere Argumentation, wonach Apple in seinem digitalen Ökosystems nicht einfach willkürliche, behindernde Regeln setzen – und noch dazu sich selbst davon ausnehmen – kann, wurde formal bestätigt. Heute ist ein guter Tag für die Vielfalt und breite Zugänglichkeit von Apps und damit für die Verbraucher und die Allgemeinheit. Das Bundeskartellamt hat sich nicht von Apples PR-Kampagnen beirren lassen. Es erkennt Apples ATTF als das an, was es ist: Ein Missbrauch von Marktmacht unter dem Feigenblatt des Datenschutzes. Angesichts der gesetzlichen Datenschutzbestimmungen ist das ATTF nicht geboten und seine konkrete Ausgestaltung ist unfair.”

Apple reagiert schnell

Nur wenige Minuten nach der Veröffentlichung der vorläufigen Einschätzung des Bundeskartellamt verschickt Apple eine Stellungnahme per E-Mail, auch an uns.

Darin reagiert Apple auf die vom Bundeskartellamt erhobenen Vorwürfe. Die Kernaussage der Stellungnahme lautet, dass grundsätzlich alle App-Developer – einschliesslich Apple selbst – gleich behandelt würden. Zudem setze das Unternehmen intern sogar strengere Datenschutzvorgaben um, als es von Drittanbietern verlange. Gleichzeitig betont Apple seine Bereitschaft, weiterhin konstruktiv mit dem Bundeskartellamt zusammenzuarbeiten.

Aber wir dürfen nicht wörtlich zitieren

Allerdings enthält die dazugehörige E-Mail eine Reihe von Ablenkungsmanövern, die – so der Begleittext – nur paraphrasiert verwendet werden dürfen, also nicht wörtlich. Schon das ist eher ungewöhnlich für eine Pressemitteilung und für eine Stellungsnahme umso mehr. Was steht also drin?

 

So verweist Apple unter anderem auf eine positive Einschätzung des ATTF durch den EU-Datenschutz. Praktischerweise wurde das entsprechende Dokument direkt angehängt. Darin wird insbesondere die Gestaltung des Banners für die Trackingeinwilligung gelobt, der als userfreundlich bezeichnet wird.

 

Allerdings trifft dies nicht den Kern der Kritik von Kartellamtschef Mundt. Die eigentliche Fragestellung betrifft nicht den Datenschutz, sondern die Art und Weise, wie Apple den Begriff Tracking definiert und welche Konsequenzen sich daraus für die eigenen Dienste im Vergleich zu denen von Drittanbietern ergeben. Hier geht es um faire Wettbewerbsbedingungen.

 

Apple legt Tracking für iOS und sein Ökosystem folgendermassen fest:

Tracking refers to the act of linking user or device data collected from an app with user or device data collected from other companies’ apps, websites, or offline properties for targeted advertising or advertising measurement purposes. Tracking also refers to sharing user or device data with data brokers.

 

Diese Definition erscheint auf den ersten Blick schlüssig, doch entscheidend sind wie so oft die Details. Der kritische Punkt liegt bei “other companies“: So kann Apple beispielsweise eigene Standortdaten erheben und – sofern eine entsprechende Einwilligung vorliegt – auch in seinen anderen Apps verwenden. Für andere Unternehmen ist dies jedoch nicht möglich. Sie müssen sich an weitere Unternehmen wenden, etwa Betreiber:innen von Wetter-Apps, um vergleichbare Geodaten für gezieltes Marketing zu nutzen. Da greift das ATTF.

 

Ob Apple hier tatsächlich mit zweierlei Mass misst, wird durch weitere Untersuchungen zu klären sein. Zum aktuellen Zeitpunkt hat das Bundeskartellamt Apple zur Stellungnahme aufgefordert, die das Unternehmen abgeben muss. Anschliessend wird die Behörde in Bonn entscheiden, ob diese ausreichend ist.

Die öffentliche Stellungnahme liest sich wie eine Werbebotschaft für den Datenschutz. Hier nun der Wortlaut:

 

“Apple ist Vorreiter darin, branchenführende Technologien zu entwickeln, die Nutzer:innen großartige Funktionen bieten und gleichzeitig ihre Privatsphäre schützen. App Tracking Transparency gibt Nutzer:innen mehr Kontrolle über ihre Privatsphäre, indem es eine klare und leicht verständliche Prompt-Meldung erforderlich macht, zu genau einem Aspekt: Tracking. Dies gilt für alle Entwickler:innen gleichermaßen — einschließlich Apple — und wir haben weltweit großen Zuspruch für das Feature von Verbraucher:innen, Datenschützer:innen und Datenschutzbehörden erhalten. Darüber hinaus hält sich Apple selbst an höhere Datenschutz-Standards, als wir es von anderen Entwickler:innen verlangen, indem Apple Nutzer:innen bewusst die Wahl lässt, ob sie personalisierte Werbung erhalten möchten. Apple hat zudem seine Services und Funktionen wie Siri, Karten, FaceTime und iMessage so konzipiert, dass das Unternehmen keine Daten über diese Services hinweg verknüpfen kann, selbst wenn es dies wollte. Wir sind überzeugt, dass Nutzer:innen selbst entscheiden sollten, wann und mit wem sie ihre Daten teilen und werden weiterhin konstruktiv mit dem Bundeskartellamt zusammenarbeiten, damit Nutzer:innen auch weiterhin Transparenz und Kontrolle über ihre Daten behalten.”

 

Diese Passage dürfen wir übrigens wörtlich zitieren. Na schönen Dank.

 

 

Quellen: Apple Newsroom, Meedia, Meedia, Magazin markenartikel, Apple Developer Documentation (Englisch), Bundeskartellamt

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