Mo. 05. August 2019 um 13:37

Nokia HMD im Interview: Wie geht es weiter nach dem Huawei-Debakel?

von Yves Jeanrenaud 0 Kommentare
Lesedauer: 3 Minuten

Huawei hatte keine gute Zeit diesen Sommer. Auch wenn man sich nunmehr wieder über die Köpfe des Tech-Giganten hinweg geeinigt hat, ist die Android-Welt eine andere, als vor dem Telekommunikationsnotstand, den der US-Präsident Donald Trump ausgerufen hatte. Dabei hat er unter anderem Huawei und dessen Marke Honor auf eine Schwarze Liste von Unternehmen gesetzt. Mit diesen durften Unternehmen in den USA nur mit Ausnahmegenehmigungen handeln, was unter anderem dazu führte, das Google dem Huawei-Konzern die Lizenz für künftige Android-Versionen, darunter wohl das baldige Android 10 Q, entzog. Das ist nun zwar schon Schnee von gestern, aber dennoch ist einiges passiert.

 

Wir haben dazu mit Eric Matthes gesprochen, seines Zeichens General Manager DACH von HMD Global. HMD ist die Firma hinter den Nokia-Telefonen mit Android-Betriebssystem, aber auch der immer noch existierenden Nokia Featurephones.


Eric Matthes, General Manager DACH von HMD-Global
Eric Matthes, General Manager DACH bei HMD Global

HMD Global ist mittlerweile seit drei Jahren Lizenznehmerin des Brands Nokia. Und das sehr erfolgreich. Weltweit spielt HMD in den Top Ten mit. In Deutschland, Österreich und der Schweiz (DACH) ist HMD mit Nokia sogar unter den besten fünf Smartphone-Herstellern vertreten. Da hilft das Handy-Vermächtnis der Marke Nokia, die HMD Global lizenziert hat, natürlich schon, doch nach Aussage von Eric Matthes vor Allem bei einer älteren Zielgruppe. Wer das Hoch des finnischen Konzerns Nokia Oy in Sachen Featurephones, die damals einfach Mobiltelefone, Handys oder Natel hiessen in Ermangelung der Smartphones, miterlebt hat, kann mit der Marke eher etwas abgewinnen. Schliesslich standen die Mobilgeräte aus Finnland lange Zeit für Handys schlechthin und der Nokia Tune, jene 13 Töne aus dem Stück Gran Vals von Francisco Tárrega, kennen auch fast alle, die vor den 90ern des vergangenen Jahrhunderts geboren wurden. Bei einer jüngeren Zielgruppe, den Millenials etwa, hilft der Markenname Nokia eher nichts, sagt Eric Matthes.

Keine Schadenfreude

Wie man aus Sicht von Nokia die Huawei/Trump-Affäre beurteilt, haben wir gefragt. Matthes versichert, dass man keineswegs Schadenfreude hege, auch wenn es hier den zweitgrössten Player auf dem Android-Markt traf, der erst vor Kurzem Apple vom Smartphone-Olymp stossen konnte. Vielmehr sei man sich bei HMD bewusst, dass Google als Partner, gerade für eine europäische Smartphone-Marke zentral sei und beobachte mit Vorsicht, wie sich die Sache entwickelt.

Verdrängungswettbewerb statt Wachstumsmarkt 

Um im Verdrängungswettbewerb Smartphone, der den Wachstumsmarkt abgelöst hat, zu bestehen, will HMD Global das Brand Nokia weiter gezielt auf Spur halten. Wachstum für Nokia hingegen sieht man vor allem noch in den USA und in Schwellenländer, wie Indien, manchen Ländern Lateinamerikas sowie in Afrika, vornehmlich aber für Featurephones, wo Nokia bereits jetzt schon weltweit führend ist. In Europa kann Nokia noch wachsen, in dem den anderen mit der richtigen Strategie Anteile abgewonnen werden.

Die Strategie für Nokia

Zu dieser Strategie gehört ganz klar Android One. Etwa, was gerade im Zuge des US-Banns gegen Huawei im China-Handelskrieg sehr sichtbar wurde, ist die Sorge vieler, keine Updates und Upgrades mehr auf die Smartphones zu bekommen. Auch Menschen, die sich noch nie Gedanken zur Betriebssystem-Version auf ihrem täglichen Begleiter gemacht haben, sind sich plötzlich schmerzlich bewusst geworden, wie wichtig der after sale support sein kann. Gerade in puncto Sicherheit sind Updates etwas, was in den letzten Monaten und Jahren durch praktisch alle Medien gegeistert ist. So dürfte wirklich fast allen bekannt sein, dass keine Updates für ein Gerät zu bekommen mittel- bis langfristig ein zum Teil erhebliches Sicherheitsrisiko bedeuten kann. Mit allem, was dazu gehört: Von Identitätsdiebstahl bis zu finanziellen Verlusten und vielen, vielen anderen Unannehmlichkeiten.

Updates garantiert

Darum garantiert HMD Global für alle Nokia-Geräte zwei Jahre Upgrades und drei Jahre Support und Sicherheits-Updates – das ist Teil des Android One-Programms. Doch dass das gesamte Android-Portfolio teil des Android-One-Programms ist, hat so bisher nur Nokia zu bieten. Selbst die Einstiegs-Geräte mit Android Go bekommen die Updates gleich schnell wie Mid-Range und High-End-Boliden.

Matthes berichtet nicht ohne Stolz, dass Nokia Geräte mitunter die schnellsten Updates bekommen und direkt nach den Google-Geräten Pixel mit Sicherheits- und Feature-Updates versorgt sind. Das macht Nokia-Geräte nicht nur sicherer, sondern trägt auch zur Nachhaltigkeit bei, da sie sich so länger mit ruhigerem Gewissen benutzen lassen, als Geräte von Mitbewerbsunternehmen.

Die Zukunft der Smartphones

Wie wird sich der Markt entwickeln, wollten wir von Eric Matthes noch wissen. Er sieht indes den Markt in DACH nicht mehr wachsend. Die Menschen sind mit Smartphones versorgt, es geht nicht mehr um den grossen Teil vom Kuchen. In anderen europäischen Ländern, wie Spanein etwa, die andere Bruttoinlandsprodukte und Kaufkraftspannen aufweisen, könnte sich, gerade durch die Gerätesubventionen durch Provider, noch etwas mehr tun. Als nächtes grosses Thema wird auf den Smartphone-Markt klar weiter 5G kommen, das jetzt ja schon in aller Munde ist. Für Matthes steht hier nicht die Download-Geschwindigkeit bei alltäglichen Anwendungen im Vordergrund, sondern viel mehr das Thema AR und VR, welches von den geringen Latenzen und horrenden Datenraten noch am deutlichsten profitieren wird.

Faltbare Smartphones indes erteilt Eric Matthes von HMD Global eher eine Abfuhr. Für ihn scheinen dies eher Nieschenprodukte zu bleiben, schon wegen der abgerufenen Preisspannen.

Für den B2B-Markt will Nokia auch in Zukunft noch stärker auf Security Updates setzen und für die Entscheidungstragenden in Unternehmen attraktive Pakete mit garantierten Laufzeiten und Update-Zyklen schnüren.

 

 

 

Wir sind gespannt, wie sich der Markt nun, wo Huawei wieder vorne Mitspielen darf, weiter entwickelt. So oder scheint es, hat HMD Global die Marke Nokia in die Android-Welt erfolgreich hinübergerettet, nachdem man mit Microsoft Windows 10 und Windows Mobile zuvor eine Bruchlandung erleiden musste, die wohl auch dem finnischen Konzern deutlisch schmerzte. Es scheint, als würde uns die Marke Nokia unter Android noch weiter begleiten und vielleicht auch für die eine oder andere Überraschung noch gut sein. Das Nokia 9 und das Nokia 9.1 waren ja, trotz mancher Fehlerchen, ein durchaus erfreulicher Schritt in Sachen inkrementeller Smartphone-Innovation.

 

 

Das Interview wurde am 25. Juni 2019 telefonisch geführt.

 

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