One’s Two Cents: Hört endlich auf so viele Geräte auf den Markt zu werfen!

Die Branche ist schwierig geworden. Hart war sie schon immer, keine Frage, aber sie war noch nie so überlaufen. Grund dafür ist die schiere Masse an Geräten die jedes Jahr von jedem Hersteller vorgestellt werden. Allein Samsung (gilt aber für fast alle Unternehmen) stellt ein riesiges Portfolio an Handys, die jedes Jahr neu aufgelegt werden. Und in den Regalen und Schubladen häuft sich durch 2-Jahres-Verträge der Elektroschrott.
Inhaltsverzeichnis
Die Smartphone-Branche ist in etwa so kaputt wie der USB-Standard
Erinnert sich noch jemand an meine Kolumne über den USB-Standard? Ähnlich fühle ich mich aktuell bei Smartphones, wenn nicht sogar schlimmer. Jedes Jahr stellen Hersteller unzählige Geräte vor, die sich entweder gar nicht (technisch) unterscheiden oder vielleicht nur in Nuancen. Jeder kauft seine Prozessoren, Displays, Sensoren und andere Chips meist bei den gleichen Zulieferern ein. Schlussendlich wird noch an der Software gearbeitet, um eventuell noch Unterschiede zu kreieren, vielleicht bei der Kalibrierung des Displays oder der Kamera. Dann war es das aber auch schon.
Sehr gute (negative!) Beispiele bringen hier vor allem chinesische Hersteller. Xiaomi, Oppo, Realme, OnePlus und noch viele weitere. Im Endeffekt ist es fast der ganze “Pulk” aus dem BBK Electronics Unternehmensteil, aber auch Samsung und Apple müssen sich an die eigene Nase fassen. Das Problem ist eben vor allem die schiere Masse an Geräten, wo Apple allerdings noch bei weitem nicht das Niveau der anderen Konkurrenten erreicht hat. Besonders bitter: Wenn Hersteller das Netzteil aus dem Karton entfernen, sich für Nachhaltigkeit feiern lassen, aber dann im Jahr hunderte von Modelle vorstellen.
Galaxy A- und Galaxy M-Serien sind übertrieben unübersichtlich!
Bleiben wir doch einmal beim Hersteller, der aufgrund seiner schieren Masse an Geräten die mit Abstand meisten Geräte im Jahr verkauft: Samsung. Das Chaos in der Galaxy A-Serie ist unvorstellbar riesig. Allein im vergangenen Jahr gab es mehrere Versionen des Galaxy A52. Einmal als S-Variante, dann mit 5G und auch Geräte ohne 5G. All das alleine nur für ein einziges Modell!
Es hört aber hier nicht auf. Das gleiche gilt für das Galaxy A1x, Galaxy A3x, Galaxy A6x Galaxy A7x, Galaxy A9x, Galaxy 0x (warum eine Serie mit 0 im Namen?!) und noch so viele mehr. Nahezu jede Modellreihe hat noch weitere Untervarianten – ob jetzt mit 5G oder ohne – und dann gibt es diese auch noch mit unterschiedlichen Speicherkonfigurationen. Fast jedes verdammte Jahr gibt es übrigens Nachfolger dieser Geräte und betroffen sind natürlich auch die anderen Serien. Vor allem auch die Galaxy M-Modelle.

Jetzt halte ich Samsung allerdings positiv zugute, dass diese bereits angekündigt haben, nicht pausenlos irgendwelche Zwischenversionen zu veröffentlichen. Das vorgestellte Galaxy A53 als auch das Galaxy A33 sind bereits mit 5G ausgestattet. Aber ist euch schon einmal aufgefallen, wie ähnlich die beiden Modelle sind? Sie haben sogar mit dem Exynos 1280 den gleichen Prozessor! Lediglich das Display im A53 ist und auch die Kamera ist leicht besser, aber müssen es wirklich es bei diesen wenigen Unterschieden wirklich zwei Geräte sein? Wenn es nach den Kund:innen geht: Ja! Denn wie der Business Insider schon vor Jahren schrieb “Die Menschen kaufen es”.
BBK Electronics schiesst den Vogel ab: Oppo, OnePlus, Realme und Vivo
Die chinesischen Unternehmen sind allerdings noch eine ganze Ecke schlimmer. Hier wird immer wieder das exakt gleiche Gerät nur unter anderem Namen verkauft. Tolle Beispiele bieten hier OnePlus und Oppo. Das Oppo Reno 7 5G ist îdentisch zum in 2022 vorgestellten OnePlus Nord CE 2. Übrigens unterscheidet sich das OnePlus Nord CE von seinem Vorgänger ebenfalls kaum. Kamera ist genau wie das Display und der Akku identisch. Es gibt also eigentlich keine wirklichen Verbesserungen. Wer den Vorgänger kauft bekommt sogar ein Jahr kürzer Updates, im Endeffekt für das gleiche Telefon. Oppo und OnePlus teilen sich seit vielen Jahren die gleiche Basis, auch bei den Top-Modellen, wie Android Authority schon unlängst ausführte.
Natürlich hat es für BBK Electronics – dem übergeordneten Mutterunternehmen der chinesischen Smartphone-Marken – auch viele Vorteile: Man produziert ein einziges Gerät für alle, ändert vielleicht ein wenig das Design oder macht aus der Selfie-Kamera 32 statt 16 MP und schraubt unterschiedliche Preisschilder dran. Das spart immense Entwicklungskosten. Die Strategie dahinter ist einfach. Man nehme ein Oppo-Smartphone, schreibt da den Namen eines “Fancy” Startups wie OnePlus drauf und schon geht der Westen darauf steil. Hat ja auch funktioniert, denn OnePlus ist mittlerweile in der Spitze etabliert. Dass es sich dabei aber die gleichen Geräte von Oppo, oder besser gesagt BBK Electronics handelt, haben viele gar nicht auf dem Schirm.

Und der OnePlus-Katalog ist in den vergangenen Jahren um immer mehr Modelle gewachsen. Das Unternehmen, das jedes Jahr ein oder maximal zwei günstige, konkurrenzfähige Top-Modelle auf den Markt warf, ist schon lange Geschichte. Die High-End-Modelle kosten genauso viel wie die Konkurrenz auch und ganz nebenbei gibt es nun auch Geräte wie OnePlus Nord, Nord CE und Nord N. Eine im Netz geleakte Roadmap deutet an, dass der Hersteller im Jahr 2022 bis zu sechs neue Geräte herausbringen will.
Xiaomi zieht das mit Abstand größte Modell-Chaos hinter sich her
Xiaomi ist einer der wenigen Hersteller, die zwar nicht zu BBK Electronics gehören, hat aber einen eigenen Weg gefunden, das Modell-Chaos auf eigene Weise zu komplettieren. Dabei reicht es schon nur eine Unterkategorie des Herstellers zu nennen, beispielsweise die Redmi-Serie, die sich in zig Untertypen aufteilt und auch innerhalb dieser Untertypen noch unterschiedliche Modelle mitbringt. Allein die Redmi Note 11-Geräteserie bringt 13 (!!) unterschiedliche Modelle mit. Diese teilen sich sogar immer noch in Handys mit 5G und ohne 5G sowie mit Pro, Lite, S und weiteren Namenszusätzen.
Und wir reden hier gerade nur von der “Redmi Note”-Serie von Xiaomi. Diese wird jedes Jahr mit einer neuen Zahl neu aufgelegt. Es gibt ja noch viel mehr Serien innerhalb des Unternehmens, die jedes Jahr neue Geräte bekommen. Diese heissen dann Redmi, Redmi Mi, nur Mi oder haben keinen Namenszusatz. Diese teilen sich dann wieder in zig Untermodelle auf. Das sind hunderte von Geräte jedes Jahr, die ein neues Modell erhalten und sich natürlich noch in weitere Speicherkonfigurationen unterteilen. Es ist wirklich nicht mehr schön und vor allem für Kund:innen mehr als nur verwirrend.

Eigentlich ist es eine absolute Katastrophe. Selbst innerhalb der Branche ist es kaum noch möglich die Geräte voneinander zu unterscheiden. Es sind einfach viel zu viele und die meisten Unterscheiden sich nicht einmal wirklich mehr. Das Schlimme ist allerdings, dass diese jedes Jahr einen Nachfolger kriegen. Jedes einzelne Modell und viele der Geräte haben ja auch noch unterschiedliche Speicherkonfigurationen und noch wesentlich schlimmer: Unterschiedliche Farben! Jedes Modell und Speichervariante jeden Herstellers gibt es auch noch in verschiedenen Farben. Eine bequeme Auswahl für den Kunden, die einen extrem hohen Preis für die Umwelt hat.
Schmierenkomödie Netzteil: Hersteller lassen sich für angebliche Nachhaltigkeit feiern
Grundsätzlich sehe ich das Ausbleiben des Netzteils im Karton als einen absolut notwendigen Schritt. Doch schaut man sich einmal das Lineup von Xiaomi an, ist das alles nur ein Tropfen auf dem heissen Stein. Denn hier ist ganz klar nicht das Netzteil das Problem, wenn im Gegenzug jedes Jahr tausende von Smartphones nur von einem einzigen Hersteller in den Markt gedrückt werden. Für ein einziges Smartphone werden in der Produktion tausende von Liter Wasser benötigt und damit meine ich nur ein einziges Gerät. Von den verschwendeten Materialien, die sich nicht wieder vollständig durch Recycling wieder zurückgewinnen lassen.
Jetzt stelle man sich das bei Herstellern wie Samsung, Xiaomi, Oppo, OnePlus, Realme, Apple und Co. im Verbund vor. Alle diese Hersteller überschwemmen den Markt regelrecht. Die Innovationen bleiben seit Jahren, bis auf winzige Ausnahmen ab und an, fast komplett aus. Es sind alles nur Handys mit Kameras, Akku und Display und die wenigen Nuancen, die jedes Jahr verbessert werden rechtfertigen einen Umstieg auf ein neues Modell sowieso nicht.
Natürlich ist das Netzteil – eine Komponente die mittlerweile im Überfluss vorhanden ist – ein Problem, aber es ist nur ein Teil des Problems, wenn jedes Jahr neue Smartphones in unübersichtlichen Gerätekategorien 10 Mal neu aufgelegt werden, mit der gleichen Technik und so den Markt komplett überrollen. Noch viel schlimmer: Die Menschen kaufen die Geräte auch. Mobilfunkverträge laufen alle zwei Jahre im Schnitt aus und so wird gern ein neues High-End-Modell oder ein günstiges Gerät subventioniert. Ich persönlich bin ein riesiger Fan davon das Netzteil aus dem Karton zu streichen, aber es ist der kleinstmögliche Schritt in diesem Dilemma.

Positive Beispiele: Sony und Fairphone machen es wirklich gut
Es gibt aber auch die guten Seiten: Sony hat sein Portfolio vor Jahren schon entschlackt, natürlich aus finanziellen Gründen, aber immerhin. Zudem stellt der Hersteller kaum neue Geräte vor und bietet eine High-End-Klasse an sowie zwei oder drei günstigere Modelle. Der Ansatz ist nicht perfekt, da es halt immer noch einige Geräte sind, aber eben deutlich besser als zuvor. Schade dass Sony im Markt damit keinen all zu grossen Erfolg hat, doch dann würde es wieder deutlich mehr Modelle geben und das wäre wiederum schlecht.
In meinen Augen viel zu wenig beachtet ist allerdings der Hersteller Fairphone. Dieser macht es einfach mit Abstand am Besten. Alle paar Jahre wird ein einzige Gerät herausgebracht, das auch noch in allen Belangen reparierbar ist. Fairphone selbst bietet die Module an und lässt euch sogar ein etwas älteres Modell mit neueren Modulen aufrüsten, sofern diese kompatibel sind. Zudem achtet Fairphone auf die Rohstoffgewinnung und dass diese so fair wie möglich gefördert werden können. Das hat natürlich seinen Preis, da ihr hier viel mehr bezahlt im Vergleich zu einem anderen Modell mit wesentlich besserer Hardware. Dieses ist aber nicht der Punkt! Denn auf einem Fairphone laufen Facebook, Instagram, WhatsApp und Co. absolut nicht schlechter. Hätte Fairphone noch die Update-Sicherheit von Apple, dann wäre es eigentlich perfekt, doch nur schwer realisierbar.
Privat habe ich übrigens bis 2021 – und damit fast 6 Jahre lang – ein iPhone 7 Plus genutzt und bin erst im Oktober 2021 auf ein neues Modell umgestiegen. Apple macht es einem aber auch sehr leicht, denn noch heute erhält das iPhone 7 die neusten Updates und das neuste Betriebssystem. Die Kamera ist bis heute gut und macht tolle Bilder. Nur der Akku ist mittlerweile auf 78 Prozent Restkapazität runter, was nach dieser langen Zeit auch mein Antrieb für einen Modellwechsel war. Doch Apple bringt mittlerweile auch bis zu vier neue Modelle pro Jahr, manchmal auch fünf Geräte mit iPhone SE, auf den Markt. Zu viele wie ich finde, denn ich mochte die “Zwei-Geräte-Politik” bis zum iPhone 7 eigentlich, zumal Apple einen langen Software-Support liefert und somit auch älteren Modellen eine Daseinsberechtigung gibt.

Fazit: Die Branche ist so richtig kaputt und es wird in Zukunft nicht besser
Für uns Medienschaffende, Blogger oder auch Influencer wird es nicht einfacher. Jedes Jahr tippt man einen Text von den immer gleichen Geräten runter. Dabei spielt es keine Rolle ob ich nun das OnePlus Nord CE 2 oder das Oppo Reno7 in der Hand habe. Theoretisch kann ich den Text des Nord-Modells nehmen und 1:1 auf das Reno abbilden. Ich muss nur die Bilder und Namen austauschen. Das kann doch nicht Sinn der Sache sein? Am liebsten würde ich einfach keinen Text schreiben, sondern einfach nur einen Satz – “Siehe auch Test des Nord CE 2” und diesen dann verlinken.
Grundsätzlich ist das Testen von Smartphones mittlerweile fürchterlich monoton geworden. Denn die Kameras sind alle gut genug und haben eine überragende Qualität, selbst bis in die untere Mittelklasse bekommt ihr tolle Knipser an die Hand, die für das Fotoalbum zu Hause locker ausreichen. Das Geld, das man für ein High-End-Modell drauflegt, nur um in Nuancen besser zu sein ist kaum eine Rechtfertigung wert. Das gilt auch in Teilen für die Leistung, denn aktuell bringen nur aufwändige Spiele Smartphones wirklich ins Schwitzen. Ein gutes Beispiel ist hier Genshin Impact. Es reicht also auch ein Modell für vielleicht 300 oder 350 Euro / SFr., welches Facebook, Instagram, WhatsApp oder auch einen Browser eurer Wahl genauso gut bedient. Und selbst in dieser Preisklasse gibt es 120-Hertz-Displays mit AMOLED-Technologie.
Und schlussendlich tun wir der Umwelt unseres Planeten keinen Gefallen, wenn Hersteller wie Oppo, Realme, Xiaomi, Samsung oder OnePlus die immer gleichen Geräte auf den Markt werfen, die nur einen anderen Namen haben und teilweise mit kaum oder gar keinen Änderungen aufwarten. Denn in jedem dieser Geräte stecken wertvolle Ressourcen, es werden tausende Liter Wasser in der Produktion verbraucht (pro Gerät) und in jedem dieser Modelle steckt natürlich auch ein Akku, der ebenfalls gefertigt werden muss und ein noch viel grösseres Umweltproblem darstellt.
Jedes Jahr wird es schlimmer und das massivst, wenn Hersteller wie Xiaomi ihre riesigen Geräte-Reihen jährlich aktualisieren und mit “neuem Namen” (meist ändert sich eh nur die Zahl) auf den Markt werfen. Die unzählige Flut an neuen Modellen fliegt uns regelrecht um die Ohren und die Konsequenzen sind aktuell noch nicht absehbar. Und wirklich Lust alles zu testen habe ich kaum noch, da es mittlerweile immer nur noch das gleiche ist. Selten blicke ich begeistert auf neue Geräte, auch wenn man nüchtern die Preisleistung immer im Blick haben muss. Hoffnung, dass sich die Branche ändert habe ich aktuell nicht wirklich, aber da sind auch wir Menschen weltweit als Kund:innen gefragt, die den Herstellern ja auch noch mit dieser Markt- und Umweltzerstörung quasi Recht geben.
Dieser Artikel trifft genau den Nerv des Problems in der heutigen Zeit. Ich bin Jahrgang 70 und als junger Mensch wussten wir noch Dinge zu schätzen. Wir wundern uns, dass Technik nicht mehr so lange funktioniert wie früher?
Ist doch klar.Die Industrie hat sich dem Konsumverhalten angepasst. Immer muss es was neues sein. Nur die, die abgehängt wurden, kaufen gebraucht das, was andere schon wieder satt haben.