Linux auf dem Handy: Smartphones mit alternativem Betriebssystem

Nach dem Aus von Windows Phone oder auch Windows Mobile, ercheint die Welt der mobilen Betriebssysteme aktuell in zwei Lager aufgeteilt. Android und iOS teilen sich einfach die riesige Marktmacht untereinander auf, doch bei genauerem Hinschauen, gibt es immer noch alternative Betriebssysteme für Handys. Linux wäre hier zu nennen, das natürlich einige Vorteile mit sich bringt.
Inhaltsverzeichnis
Warum überhaupt Linux auf einem Smartphone nutzen?
Linux auf einem Handy zu nutzen kann durchaus ein paar Vorteile mit sich bringen, die die Anwendung von herkömmlichen Betriebssystemen wie Android und iOS unterscheidet. Erstens bietet Linux eine offene und anpassbare Umgebung, die vor allem starken Einfluss auf die entwickelnde Community hat und so immer wieder neue Apps, Tricks, Mods und mehr hervorbringt. Denn die Open-Source-Natur von Linux fördert die eigenständige Innovation der Plattform und sorgt für Sicherheit durch die Kontrolle, die alle zusammen erarbeiten. Ein weiterer Vorteil von Linux ist die Datenschutzorientierung. Hier bekommt ihr wesentlich mehr Kontrolle über eure persönlichen Daten, die das Smartphone sammeln kann. Die Kontrolle ist also ein massgeblicher Teil des Systems.
Es gibt zudem verschiedene Distributionen, die verschiedene Bedürfnisse ansprechen. Sei es die Anpassungsfähigkeit von Manjaro, die Sicherheitsfokussierung von PureOS oder die Vielseitigkeit von Ubuntu Touch. Insgesamt bietet die Nutzung eines Linux-Handys eine Balance zwischen Anpassbarkeit, Datenschutz und die bereits angesprochene Kontrolle über das eigene Systeme, die es zu einer attraktiven Wahl für euch machen kann, wenn ihr mehr Kontrolle über eure Geräte und Daten haben möchtet.
Allerdings gibt es nicht viele Handys die ein Linux-Betriebssystem von Haus aus vorinstalliert haben und auch nicht alle lassen sich mit Linux nachträglich ausstatten. Im folgenden listen wir Handys mit vorinstalliertem Linux-System auf, aber auch Modelle, die Linux in Form von Ubuntu Touch installieren können. Zudem werden wir die Liste auch noch einmal mit zusätzlichen Geräten in der Zukunft erweitern.
PinePhone und PinePhone Pro – Die Open-Source-Revolution im Taschenformat?
Das PinePhone, bekannt für seine Fokussierung auf Open Source, präsentiert sich als erschwingliche Option für Entwickelnde und Linux-Enthusiasten. Es läuft auf einer mobilen Version von Linux Manjaro und bietet Anpassungsmöglichkeiten, die die meisten ansprechen dürften. Trotz eher bescheidener Hardware, die für durchschnittliche User aber ausreichend sein dürfte, ist es möglicherweise nicht für den täglichen Gebrauch gedacht.
Einige technische Daten zum PinePhone Pro
Prozessor | Rockchip RK3399S 64bit – 2x A72 and 4x A53 CPU |
GPU | ARM Mali T860 4x core GPU |
RAM | 4GB LPDDR4 @ 800MHz |
Speicher | 128 GB eMMC intern erweiterbar per microSD (SDXC bis zu 2 TB) |
Display | 6 Zoll 1440 x 720 (HD) In-Cell-IPS |
Kamera | 13 MP Sony IMX258 Hauptsensor 8 MP OmniVision OV8858 Selfie-Kamera |
Modem & GPS | Quectel EG25-G – Globale GSM und CDMA Bänder GPS, GPS-A, GLONASS |
WiFi & Bluetooth | AMPAK AP6255 WiFi 11ac + Bluetooth 4.1 |
Das besondere des PinePhone ist die hohe Flexibilität. Ihr könnt jedes kompatible Linux, beispielsweise auch Ubuntu Touch, auf dem Gerät installieren und so vieles einfach ausprobieren. Aber nicht nur in Form der Software. Auch lassen sich das PinePhone und die Pro-Version sehr leicht reparieren und die Ersatzteile dafür einfach besorgen.
Wie bereits erwähnt dürfte dieses Handy eher weniger etwas für den Alltag sein, aber wenn ihr richtig Lust habt euch mit Linux für Handys zu beschäftigen und einfach viel ausprobieren möchtet, dürfte es hier ein wirklich toller Einstieg sein.

Volla Phones: Hersteller lässt euch die Wahl beim Betriebssystem
Das Volla Phone X23e bietet eine Dualboot-Funktion, die es euch ermöglicht, neben dem vorinstallierten VollaOS auch andere Betriebssysteme wie Ubuntu Touch zu verwenden. Besonders interessant: Auf der Webseite des Herstellers könnt ihr direkt auswählen, mit welchem Betriebssystem das Handy ausgeliefert werden soll und könnt somit auch Ubuntu Touch als System “Out-of-the-Box” nutzen.
Wir hatten übrigens bereits ein paar Volla Phones im Test!
- Volla Phone X im Test: Rugged-Handy bietet volle Kontrolle über eure Daten
- Volla Phone 22 im Test: Volle Kontrolle über das Betriebssystem
Zudem bieten die Handys des Herstellers die Möglichkeit auch noch später andere Systeme nach zu installieren. Ihr wollt nebenbei SailfishOS ausprobieren oder nutzen? Kein Problem, es kann einfach – dank des offenen Bootloaders – nachinstalliert werden und da die Volla Phones auch noch Dual-Boot-Kompatibel sind, könnt ihr immer zwischen mehreren Systemen hin und her wechseln. Selbst Android lässt sich nach Wunsch installieren.
An dieser Stelle würden wir nun gerne sagen, dass die Volla Phones einfacher zu bekommen sind als die Handys von Pine64 oder Purism aus den USA, aber leider sind aktuell alle Modelle des Herstellers auf der Webseite ausverkauft. Und zwar fast alle. Das hängt auch mit der Insolvenz der Gigaset AG zusammen, denn die Hardware der Volla-Handys wurden vom deutschem Unternehmen Gigaset Communications geliefert. Auf unsere Nachfrage bestätigt Volla, dass die Produktion des beliebten Volla Phone X23 wieder aufgenommen wird, voraussichtlich Ende dieses Monats. Ein genauer Liefertermin konnte leider noch nicht genannt werden. Aber nun sind aktuell verfügbar sind das Volla Phone 22 in Weiss und das Volla Phone X23E, das eine geringere Speicherausstattung hat und keine eSIM unterstützt. E steht hier für Economy.
Im das Risiko unserer Lieferketten zu reduzieren, will Volla Systeme in diesem Jahr mit drei Lieferanten für die Hardware-Produktion in den Markt gehen. Hierbei bleiben die letzten Produktionsschritte in Deutschland und sollen auch zunehmen nach Deutschland geholt werden.
Noch eine Information: Aktuell arbeitet Volla übrigens an einem eigenen Tablet. Das Volla Tablet wird auch wie die hauseigenen Handys Ubuntu Touch als Linux-Betriebssystem unterstützen. Mehr Infos zur Crowdfunding-Kampagne und zum Volla Tablet selbst findet ihr auf der offiziellen Webseite zum Produkt.

Librem 5 – Linux-Handy mit vollem Fokus auf Datenschutz
Das Librem 5 von Purism ist ein weiteres Linux-Smartphone, das seinen Fokus mehr auf Datenschutz legt als alle anderen. Vorinstalliert ist mit PureOS ein vollständig auf Open-Source basierendes Linux-System, dass weder auf iOS noch auf Android basiert. Wie ernst die Firma Purism den Datenschutz nimmt, zeigen einige der verbauten Hardware-Eigenschaften: So bietet das Linux-Handy physische Schalter für Mikrofon und Kamera, um die Privatsphäre der Nutzenden voll gewährleisten zu können.
Die Hardware hingegen ist noch schwächer ausgestattet als beim PinePhone Pro und daher vielleicht für viele noch weniger interessant? Das mag auch damit zusammenhängen, dass das Librem 5 vor allem mit seiner starken Datenschutzthematik auch einen sehr spezifischen Kreis an Interessierten anspricht. Anders als bei vielen anderen Modellen setzt die Firma Purism nicht auf Ubuntu Touch, sondern auf eine eigene leicht modifizierte Version der bekannten Linux-Distribution Debian, aus der auch einst Ubuntu erwachsen ist. Ihr könnt aber auch Ubuntu Touch auf dem Librem 5 installieren.
Zwar ist das Librem 5 auch hier in Europa über die Webseite des Herstellers aus den USA bestellbar, doch gibt dieser auch an, die Geräte nach Bedarf zu bauen. Hier wartet ihr im Zweifel Monate auf eine Auslieferung. Auch kommen auf den kleinsten Kaufpreis von rund 500 US-Dollar noch Zollgebühren und Versand dazu. Im Vergleich zur Hardware ist das schon alles sehr kostspielig. Für unseren Markt also eher ungeeignet.

Alternative: Auf dem Fairphone einfach ein Linux-System installieren
Natürlich ist auf keinem Fairphone eigentlich Linux vorinstalliert und ihr könnt auch im Shop nicht Linux als Alternative auswählen. Beispielsweise berichtet das Magazin Stern auf seiner Webseite zu Linux-Handys irreführend, dass /e/OS auf dem Fairphone läuft, aber auch das ist falsch. Denn die Passage trägt die Zwischenüberschrift “Fairphone 5” und es gibt in Zusammenarbeit mit dem Entwickler Murena nur das Fairphone 4 mit /e/OS. Letzteres ist eine eigene Entwicklung von Murena für das Fairphone 4. Und selbst das auf Datenschutz spezialisierte /e/OS ist eigentlich kein Linux sondern basiert immer noch auf Android.
Auf Fairphones ist das ganz normale Google Android vorinstalliert und wird auch so ausgeliefert. Wie sich die Geräte übrigens im Alltag schlagen, erfahrt ihr in unseren Testberichten zu allen fünf Modellen. Wir hatten bisher jedes Fairphone des gleichnamigen Herstellers im Test und sind vor allem von dem nachhaltigen Ansatz sehr angetan.
Unsere Testberichte zu den Fairphones findet ihr hier:
- Review: Fairphone 5 5G im Test
- Review: Fairphone 4 im Test – Nachhaltig und Modular zum Vierten
- Review: Fairphone 3+ Upgrade – Kameramodule zum Selbsteinbau
Nach einer kurzen Recherche ist uns aber auch aufgefallen, dass Artikel im Netz zu Linux-Handys teilweise identisch sind und auch allgemein das Fairphone bzw. das Fairphone 5 speziell mit /e/OS als Betriebssystem erwähnen. Gibt man solche Anfragen in die meisten KI-Systeme wie ChatGPT oder Microsoft Copilot ein, spucken diese nahezu identische Texte aus. Wir stellen daher einmal die sehr steile These auf, dass viele der Texte im Netz zum grössten Teil mit einer KI geschrieben und dann nicht mehr überprüft wurden. Das ist sehr schade, führt zur Verwirrung und kratzt auch an der Glaubwürdigkeit.
Dennoch können wir vor allem das Fairphone 3 und Fairphone 4 als Alternatives Linux-Handy empfehlen. Auf der offiziellen Webseite von Ubuntu Touch werden diese Modelle explizit als unterstützt gelistet und es gibt auch Anleitungen zur Installation. Auch auf dem Fairphone 5 kann Ubuntu Touch bereits installiert werden, doch eine offizielle Unterstützung gibt es noch nicht. Daher ist damit zu rechnen, dass einige Funktionen des Handys eventuell nicht zur Verfügung stehen oder es noch zu einigen Bugs kommen kann. Wir erwarten aber eine offizielle Pressemeldung dazu, wie dies beim Fairphone 4 bereits der Fall war.

Ubuntu Touch installieren: Einige kompatible Geräte in der Übersicht
Wollt ihr etwas abseits der echten Linux-Handys einfach nur das Betriebssystem selbst ausprobieren, empfiehlt sich ein genauer Blick auf die Webseite des Ubuntu-eigenen Projekts Ubuntu Touch. Dort könnt ihr nach kompatiblen Smartphones suchen und findet auch eine Menge Installationsanleitungen. Modelle die mit einem Stern in der Liste gekennzeichnet sind, sind laut der Anleitung Smartphones der ersten Wahl und haben eine besonders hohe Unterstützung. Solche Geräte sind vor allem die oben genannten Volla Phones und auch das Fairphone 3 und 3+ sowie Fairphone 4. Das Fairphone 5 wird offiziell nicht gelistet, kann Ubuntu Touch aber mit einigen Einschränkungen nutzen. Ein offizieller Support soll aber bald noch folgen.
Hier eine Liste mit einigen Geräten die mit Ubuntu Touch kompatibel sind:
- Fairphone 3+
- Fairphone 4
- Fairphone 5 (mit Einschränkungen)
- Volla Phone X23
- Volla Phone X
- Volla Phone 22
- Librem 5
- Asus Zenfone Max Pro M1
- Google Pixel 3a und 3a XL
- OnePlus One
- OnePlus 5 und 5T
- OnePlus 6
- OnePlus Nord N10 5G
- OnePlus Nord N100
- Samsung Galaxy S7 uns S7 Edge
- Sony Xperia X
- Xiaomi Poco M2 Pro
- Xiaomi Poco X3 und NFC
Xiaomi Redmi Note 9 Pro (Global)

Wie ihr der Liste bereits entnehmen könnt, sind es vor allem ältere Modelle, die mit Ubuntu Touch kompatibel sind. Die Community ist aber stets bemüht auch weitere Modelle hinzuzufügen und in sogenannten Nightly-Builds findet ihr auch schon Ansätze für neuere Handys. Grundsätzlich kommt es auch immer darauf an, ob der sogenannte Bootloader eures Smartphones offen ist oder sich dieser irgendwie entsperren lässt. Ist er komplett verriegelt, lassen sich alternative Betriebssysteme wie Linux erst gar nicht installieren und ihr müsst bei einem offiziell vom Hersteller signierten Android bleiben.
Lohnt sich ein Linux-Handy oder Ubuntu Touch generell?
Wie ihr vermutlich schon an der Auswahl oben seht, sind viele der genannten Linux-Handys eher auf bestimmte Dinge spezialisiert. Vor allem Datenschutz steht dort im Vordergrund – beim Librem 5 zum Beispiel. Das Volla Phone gibt es aber auch mit herkömmlichen Ubuntu Touch und zumindest auf ein paar Fairphone-Modellen lässt sich Ubuntu Touch ebenfalls installieren.
Vergleichbar mit einem echten Google– oder iOS-Ökosystem lässt sich dieses aber eigentlich nicht. Beispielsweise gibt es keine echte App für den beliebten Messenger WhatsApp etwa für Ubuntu Touch. Hier müsst ihr euch über Umwege behelfen wie WhatsApp Web im Browser nutzen oder über einen Android-Emulator die App manuell installieren und aktualisieren. Letzteres birgt auch wieder viele Risiken. Zudem ist die Bedienung auch nicht immer so intuitiv wie wir es von Android und iOS kennen. Einstellungen können richtig tief bis ins System gehen, doch dafür erhaltet ihr auch eine unheimlich hohe Kontrolle über euer Smartphones und ebenfalls enorm starke Anpassungsmöglichkeiten.
Dennoch finden wir das Konzept als alternatives Betriebssystem spannend. Linux kann vor allem alten Handys, die seit Jahren keine Updates mehr erhalten wieder zur Frischzellenkur verhelfen und ihr habt die Möglichkeit, so etwas neues auszuprobieren. Die Alltagstauglichkeit ist natürlich nur eingeschränkt gegeben und kommt auch darauf an, wie sehr ihr euch auch das unbekannte System einlassen wollt und könnt.
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