Mo. 17. Juli 2017 um 17:25

Nachgedacht: Gruss von Erdogan

von Barbara Walter-Jeanrenaud 2 Kommentare
Lesedauer: < 1 Minute

Nach dem Warum muss man wohl nicht fragen: Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, schaltete sich in der Nacht auf Sonntag auf Tausende türkische Smartphones und schickte eine gesprochene Grussbotschaft an sein telefonierendes Volk. In seiner Nachricht bezog er sich auf den 15. Juli, dem ersten Jahrestag des niedergeschlagenen Putschversuchs in der Türkei.

Als Ihr Präsident gratuliere ich Ihnen am 15. Juli zum Tag der Demokratie und der Nationalen Einheit. Möge Gott Erbarmen mit unseren Märtyrern haben. Ich wünsche unseren Veteranen Gesundheit und Wohlbefinden. (Recep Tayyip Erdogan)

An sich kann der Mann ja Grussbotschaften schicken, so viel er möchte, allerdings spielt in diesem Fall der Schock vieler Menschen eine Rolle, die nun ihr Telefon mit gemischten Gefühlen anschauen. Es spielt dabei keine Rolle, ob man nun Pro- oder eher Contra-Erdogan eingestellt ist: Irgendwie hat er es geschafft, ungefragt auf’s Smartphone zu kommen. Wir reden hier nicht von einer entsprechenden App, die an abonnierende Personen Informationen (oder eben Grüsse) verschickt, sondern von allen Smartphones, die sich im riesigen Netz von Vodafone und der türkischen Telekom befinden. Die Grussbotschaft in Form einer Tonaufnahme wurde dann abgespielt, wenn man von seinem Handy aus ein anderes Mobilgerät anrief. Das Festnetz war wohl nicht betroffen.

Datenschutz und Smartphones – eine schwierige Geschichte

Datenschutzbeauftragte, oppositionelle Parteien und auch sehr viele ganz Normalsterbliche egal welchen politischen Lagers laufen nun Sturm gegen diese Praxis. Sie kritisieren scharf den Eingriff ins Privatleben durch die Regierung der AKP. Bereits im vergangenen Jahr hatte es für Millionen Menschen im Rahmen des niedergeschlagenen Putsches von 15. Juli 2016 eine SMS des Präsidenten gegeben, in der er zum Widerstand aufrief. Die Angst vieler Menschen um ihre Privatsphäre scheint nicht unbegründet zu sein: Wer es schafft, sich von der Telekommunikationsbehörde auf jedes Handy schalten zu lassen, könnte auch unbegrenzten Zugriff auf alle Daten bekommen und sogar Telefonate mithören und Nachrichten mitlesen. Gerade in diesen bewegten Zeiten in der Türkei ist dies für viele Menschen eine schlimme, gefährliche Vorstellung. Immerhin kann man das Ganze nämlich auch als eine Art Warnung verstehen, nach der Devise: “Ich bin in deinem Leben, ich seh’ dich!”

Gibt es eine staatliche Kontrolle mobiler Geräte?

Eine staatliche Kontrolle mobiler Geräte wird an vielen Orten, auch in Deutschland, Österreich und in der Schweiz, nicht erst seit den NSA-Skandalen und nicht nur von Verschwörungstheoretiker_innen vermutet. Verschärfte Abhörgesetze werden immer wieder politisch diskutiert und durchgesetzt. Dass der Zugriff auf die privaten Telefone der Menschen aber so direkt erfolgt, ist wohl eher die Ausnahme – was nicht bedeutet, dass dies auch so bleibt. Man stelle sich nur das Potenzial für Wahlkämpfe und, privatwirtschaftlich, die Werbung vor! Selten bekam man die technischen Möglichkeiten der Kontrolle so deutlich auf dem Silbertablett serviert. Was man dagegen machen kann? Eher wenig, ausser die eigenen Nutzungsgewohnheiten zu überdenken und sich alternative Workarounds zu überlegen. Die Zeiten, in denen Handys als “sichere” Geräte galten, die vorrangig von Menschen aus dem Halbdunkel benutzt wurden, sind schon lang passé. Wie gläsern wir hinter dem Displayglas eigentlich sind, wissen wir nicht.


Wurde ich früher oft belächelt und für paranoid gehalten, so bleibe ich meinem Grundsatz nun umso treuer: Ich benutze mein Smartphone unglaublich gern, allerdings nur für die Art von Kommunikation, die ich genauso auch in einem vollen Linienbus mit einer Kollegin oder einem Kollegen betreiben würde. Für sensible Informationen gibt es andere Möglichkeiten. Dies ist keinesfalls als “Einknicken” zu verstehen, sondern vielmehr eine einfache Schutzmassnahme. Immerhin geht es niemanden etwas an, ob ich etwas zu verbergen habe.

 

Was mich jetzt interessiert: Wie steht ihr eigentlich zu dem Thema? Unabhängig von den Schwierigkeiten, mit denen die Türkei gerade zu kämpfen hat: Benutzt ihr eure Smartphones, als ob es kein Morgen gibt oder seid ihr auch eher vorsichtig? Würdet ihr euch über eine Grussbotschaft von Frau Leuthard oder Frau Merkel freuen oder doch eher verdattert auf das Display starren?

 

 

Dies ist ein Kommentar einer einzelnen Redakteurin und drückt daher nicht die Meinung der Redaktion von PocketPC.ch aus.

 

Bildquelle: Cumhuriyet (türkisch)

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2 Antworten zu “Nachgedacht: Gruss von Erdogan”

  1. happyone sagt:

    Ich stehe der staatl. Überwachung auch sehr skeptisch gegenüber. Aber leider ist das Smartphone ein ständiger Begleiter für mich geworden, welches ich nicht mehr missen möchte. Ich versuche so gut es geht auf Apps wie Facebook, WhatsApp echt zu verzichten. Aber leider weiß man nicht, welche Daten die anderen Apps über einen sammeln (Beispiel siehe der beinnahe-Rauswurf der Uber-App bei iOS).
    Ähnlich wie Inhaltsstoffen bei Nahrungsmitteln, sollte man überlegen, wie man “Inhaltsstoffe” bei Software angeben könnte.

  2. Ltd Duke sagt:

    Warum tun denn alle so überrascht?
    Das wissen wir doch schon seit Snowden.

    (…)
    Alle die ihm (Erdogan) nicht wohlwollend sind werden verschleppt oder umgebracht.

    Zum Thema Smartphones,
    man kann die Leute immer wieder daran erinnern das das ein Wanze ist und ein extrem hohen Suchtpotenzial hat.
    Ständig blingbling,Status hier,Kommentar dort,Du kannst weiterspielen.
    Unser Hirn kann sich garnicht mehr treiben lassen und so wichtige Sachen verarbeiten.
    Schaut euch mal die Kinder und Jugendlichen draußen an.
    Die stecken das Teil garnicht mehr weg.
    Die Leute stehen mit Hund irgendwo auf der Wiese und starren ins Smartphone anstatt sich um das Tier zu kümmern das neben einem steht.
    Solche Situationen sind erschreckend und traurig.
    Soziale Medien sind nicht sozial sondern lassen einen geistig verarmen.
    Es kann einfach nicht sein das das was auf dem Display steht wichtiger ist als das was neben einem passiert.

    Gebt dem Display weniger Zeit, und solche Dinge wie Überwachung haben keinen mehr so hohen Stellenwert wie jetzt.
    Das erledigt sich dann von allein.

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