Di. 26. November 2024 um 7:04

Pokémon GO-Daten: Niantic und das Militär

von Yves Jeanrenaud 0 Kommentare
Lesedauer: 3 Minuten

Ein leitender Angestellter von Niantic äusserte, dass er sich "definitiv vorstellen könnte", dass Regierungen und Militär durchaus Interesse am kürzlich vorgestellte KI-Modell des Unternehmens zur Navigation in der realen Welt haben könnten. Dieses Modell basiert auf Daten, die von Spielern:innen von Pokémon GO generiert wurden. Gleichzeitig betonte er jedoch, dass die Nutzung speziell für militärische Zwecke und zur “Verstärkung von Kriegshandlungen definitiv ein Problem darstellt”.

 

Diese Aussage stammt von Brian McClendon, dem Senior Vice President of Engineering bei Niantic und Mitbegründer von Google Earth, Street View und Google Maps. McClendon machte die Bemerkung während der Bellingfest-Veranstaltung der investigativen Journalismusgruppe Bellingcat am 14. November dieses Jahres. Er hielt dort einen Vortrag mit dem Titel “Coordinates of tomorrow: Why spatial computing needs a new map”, also in etwa: “Die Koordinaten von morgen: Warum das räumliche Computing eine neue Karte benötigt”.

 

In diesem Vortrag sprach er über seine Karriere in der Branche, seine Arbeit bei Google und Niantic sowie über einige Details zum von Niantic zwei Tage zuvor angekündigten Large Geospatial Model (LGM). Pikant an diesem KI-Modell ist unter anderem, dass wir beim Spielen von Pokémon GO und Ingress unwissentlich dazu beigetragen haben.

 

In der anschliessenden Fragerunde stellte Nick Waters, ein Analyst für Open-Source-Recherchen bei Bellingcat und ehemaliger Offizier der britischen Armee, die Frage, ob McClendon sich vorstellen könne, dass Regierungen und militärische Organisation diese LGM von Niantic erwerben könnten. Waters betonte dabei, dass ein LGM für das Militär “unglaublich nützlich” wäre.


Pokémon GO Fest 2022
Ein Fest, Pokémon GO, aber wirklich so harmlos? Bild: Niantic / The Pokémon Company

Militärische Nutzung nicht ausgeschlossen?!

"Ich könnte es mir definitiv vorstellen", erklärte McClendon. Für den Manager bei Niantic ist der Knackpunkt dieses Dual Use-Szenarios, also einer Technologie, die sowohl zivilen als auch militärischen Zwecken dienen kann, bei dem Mehrwert.

Wenn das, was Streitkräfte und Regierungen mit einer LGM KI anstellen könnten, etwas anderes und “speziell militärisch” sei, das “der Verstärkung von Kriegshandlungen dient”, das das problematisch. Sonst nicht.

 

McClendon schloss indes nicht aus, dass Niantic seine Daten oder das Large Geospatial Model (LGM) an Regierungen und Militärs verkaufen könnte.

Video: Bellingfest Day 1 / Bellingcat

Niantics LGM noch nicht marktreif

Das LGM sei jedoch noch in einem frühen Entwicklungsstadium und es würde noch Monate oder sogar Jahre dauern, bis diese Modelle in einer marktreifen Version vorliegen würden. Dies erklärte ein Sprecher von Niantic auf die Frage, ob das Unternehmen erwäge, sein LGM oder damit verbundene Daten an Regierungen und Militärs zu verkaufen gegenüber 404 Media. Man will mit diesen Fragen nach militärischer Nutzung oder dem Einsatz durch Regierungsorganisationen jedoch “verantwortungsvoll und mit Bedacht”  vorgehen.

 

Wie bereits bekannt wurde LGM von Niantic bewusst als Anspielung auf Large Language Models (LLMs) wie GPT von OpenAI benannt. Diese KI-Modelle setzen auf grossen Mengen an Text aus dem Internet für ihr Training, um dann natürliche Sprache zu verarbeiten und zu generieren. Das LGM von Niantic verfolgt ein ähnliches Ziel, jedoch für die physische Welt. Diese Technologie soll, so Nianticin ihrem Blog, Computer nicht nur in die Lage versetzen, physische Räume wahrzunehmen und zu verstehen, sondern auch, auf neue Weise mit ihnen zu interagieren.

Welche Daten stecken hinter Niantics LGM KI?

Die Daten, mit denen Niantic das LGM trainiert, stammen aus den Spielen des Unternehmens, darunter Pokémon GO. Ein aktuelles Beispiel dafür ist ein experimentelles Feature in Pokémon GO namens Pokémon Playgrounds. Hierbei können Trainerinnern und Trainer ein Pokémon an einem bestimmten Ort platzieren, wo sie für andere in der App sichtbar und interaktiv bleiben. Laut Niantic basiert dieses Feature auf riesigen Datenmengen und ist insofern besonders, als die Daten aus der Perspektive von Fussgänger:innen stammen. Also enthalten die Playgrounds damit Informationen von Orten, die mit Fahrzeugen nicht zugänglich sind.

 

Niantic nutzt im Rahmen der Spiele die von Millionen von Menschen unwissentlich beigetragene Scans von öffentlichen, realen Orten, um das Large Geospatial Model zu entwickeln. Dies erklärte Niantic in einem Statement, das dem Blogbeitrag über das LGM hinzugefügt wurde, nachdem 404 Media und Wired den Artikel darüber letzte Woche veröffentlicht hatten. Betont wird dabei, dass die Scan-Funktion vollständig optional wäre. Schliesslich müssen alle, die Pokémon GO spielen, einen spezifischen, öffentlich zugänglichen Ort besuchen und aktiv entscheiden, diesen zu scannen. Niantic preist die Funktion aber gleichzeitig damit an, so neue Arten von AR-Erlebnissen ermöglichen, die den Menschen Freude bereiten sollen.

Wozu hat Niantic das LGM gemacht?

Als Anwendungsgebiete schweben Niantic AR-Brillen und darüber hinausgehende Bereiche wie Robotik, Content-Erstellung und autonome Systeme vor. Da der Übergang von Smartphones zu tragbaren Technologien, die mit der realen Welt verbunden sind, fortschreitet, werde räumliche Intelligenz laut Niantic unabdingbar und ein zentraler Bestandteil zukünftiger Produkte und Software.

 

Niantics LGM baut auf dem Lightship Visual Positioning System (VPS) des Unternehmens auf, das laut Niantic 10 Millionen gescannte Standorte weltweit umfasst, von denen über eine Million aktiviert und für die Nutzung mit dem VPS-Dienst verfügbar sind. Niantic will dazu etwa eine Million neue Scans pro Woche enthalten, die jeweils aus hunderten einzelner Bilder bestehen. So Optional scheint die Scan-Funktion in Pokémon GO dann wieder nicht zu sein, wenn so viele Daten zusammen kommen.

 

In der Vergangenheit hat Niantic die Gamer in Pokémon GO durch Belohnungen im Spiel dazu motiviert, diese AR-Mapping-Aufgaben zu erledigen. Man wurde also dazu animiert, reale Orte zu scannen. Derzeit beschweren sich jedoch einige, dass sie nicht an Pokémon Playgrounds teilnehmen wollen, da diese Funktion keine Belohnungen bietet.

 

 

Quellen: 404 Media (Englisch), Niantic (Englisch), Bellingcat (Englisch)

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