Mi. 21. März 2018 um 7:22

Von Marzipan und Äpfeln – Universal Apps für iOS und MacOS bald Realität?

von Adrian Suess 0 Kommentare
Lesedauer: 5 Minuten

Apple betreibt seit jeher unterschiedliche Betriebssysteme auf seinen verschiedenen Geräten. Auf iPhones und iPads kommt iOS zum Einsatz, die Smartwatch hat ein eigenes watchOS und Apples Computer werden mit MacOS (noch als OS X bekannt) betrieben. Dass dies in Zeiten, in denen Smartphones immer schneller und die Spieleauswahl auf dem Mac überschaubar und hinsichtlich Performance in der Regel deutlich hinter Windows zurückfällt nicht ideal ist, leuchtet ein.


Apple Geräte
Unterschiedliche Apple-Geräte, verschiedene Apps – bald nicht mehr? – Quelle: Pixabay

Bereits 2015 kamen Gerüchte auf, ob nicht eine Verschmelzung von iOS und MacOS sinnvoll wäre, um Kompatibilitätsprobleme zu reduzieren, mehr Inhalte auf Apples Rechner transportieren zu können und ein Stück weit zum PC aufzuschliessen. Damals erteilte Apple CEO Tim Cook einer Verschmelzung aber eine klare Absage. Heute sieht die Welt hingegen schon wieder völlig anders aus. So ist es durchaus denkbar, dass schon bald universelle Apps für iOS und MacOS entwickelt werden können, die auf beiden Systemen reibungslos laufen. Das Stichwort heisst hier “Marzipan”, denn unter diesem Codenamen arbeitet Apple derzeit an einer Umsetzung dieser Idee. Zwar geht es tatsächlich nicht um eine Verschmelzung der Betriebssysteme an sich, der Effekt ist am Ende aber ein ähnlicher, denn Apps sollen damit auf allen Endgeräten gleichermassen funktionieren, ohne portiert werden zu müssen.

Wo Apples MacOS hinterherhinkt

Erst Ende des vergangenen Jahres gab es mehrere Probleme mit Apples neuem Betriebssystem High Sierra. Nicht nur die Tatsache, dass die Grafikleistung einbrach, nachdem ein Rechner aus dem Ruhezustand geholt wurde, sondern auch kritische Sicherheitslücken sorgten dafür, dass das Mac-System aus den Negativschlagzeilen kaum herauskam. MacOS wird derzeit auf rund 100 Millionen Systemen betrieben und überwiegend zum Arbeiten verwendet. Die enormen Zuwächse im Gaming-Bereich haben aber dazu geführt, dass Apple den Unterhaltungsmarkt auch mit seinem MacOS stärker fokussieren wollte. Hier hakt es aber gewaltig.

MacOS und Gaming

Zwar kann auch auf dem Mac fleissig gespielt werden, man darf aber hier nicht vergessen, dass beispielsweise die Spieleplattform Steam für Mac rund 4.500 Mac-kompatible Spiele enthält. Dies entspricht in etwa der Anzahl an Spielen, die für den PC jährlich auf Steam erscheinen.

Zu diesem Umstand kommt die Tatsache hinzu, dass viele von PC zu Mac portierte Spiele wie beispielsweise Civilization VI auf dem Mac schlichtweg deutlich schlechter laufen als auf dem PC. Teilweise ist mit Performance-Einbussen von bis zu 75% zu rechnen. Dies geht auf den mangelnden Metal Support zurück, der eigentlich insbesondere im neuen High Sierra für einen deutlichen Leistungszuwachs sorgen sollte. Ähnlich gute Systeme wie Direct X für Windows gibt es für MacOS nicht, was den Programmierern zusätzlich das Leben schwer macht. Daher werden die meisten Spiele unter Zuhilfenahme von OpenGL umgesetzt, was zwar zweckmässig ist, aber keinesfalls die Performance bietet, die ein Metal 2 Support bieten könnte.

Interne Konkurrenz durch iOS

Der MacOS Appstore wird seit Jahren mehr oder weniger stiefmütterlich behandelt. Die Auswahl entspricht nicht ansatzweise der des iOS Appstore und immer mehr Entwickler entschliessen sich dazu, ihre Software gar nicht erst für den Store von Apple zu konvertieren. Ganz anders sieht es hingegen auf iOS Systemen aus. Die Plattform ist beliebt, die Performance der Endgeräte nimmt stetig zu, sodass mittlerweile selbst AAA-Titel wie Fortnite für iOS erscheinen. Das Spiel gibt es zwar ebenso für MacOS, allerdings gibt es grafisch und auch spielerisch keinerlei Unterschiede. Problematisch und eine gewaltige Hürde ist es aber für die Entwickler, stets beide Portierungen umsetzen zu müssen, wenn Sie die Hardware von Apple abdecken möchten.

Vereinigung von MacOS und iOS.

iPhone Apps
Mit MacOS Apps auf iPhone und umgekehrt ergeben sich neue Möglichkeiten – Quelle:Pixabay

Die Zusammenführung von iOS Apps und MacOS Apps könnte für Apple enorme Vorteile bringen. Entwickler könnten mit einem einzigen Port für Apples System sowohl iOS als auch Mac-Anwender erreichen. Dies betrifft nicht nur Programme, sondern natürlich auch Spiele. Durch die gemeinsame Schnittstelle mit dem Codenamen Marzipan wäre es möglich, dass zukünftig auch MacOS-Spiele die vorhandene Hardware voll ausnutzen können, was zu enormen Performance-Zuwächsen führen könnte.

Derzeitiger Stand

Im Moment laufen zwar viele Apps und Spiele bereits auf beiden Plattformen, es handelt sich aber stets um eigenständige Apps. Einzig mobil optimierte Webseiten und Spiele, wie beispielsweise das beliebte Slither.io, diverse Freemium Spiele oder eine Vielzahl browserbasierter Casinospiele sind ohne Doppelportierung auf beiden Plattformen spielbar und nutzbar. Bei Apps ist dies bislang nicht möglich. Hier könnte Apples Wunderwaffe Klarheit, Einheitlichkeit und viele Vorteile mit sich bringen. Somit müssten Anbieter wie Plarium ihre eigentlichen Browserspiele nicht mehr zusätzlich als mobile iOS-App entwickeln und auch geschäftlich würde die Frage von App vs Web entfallen.

Gemeinsame Schnittstelle aber wie?

Derzeit ist unklar, wie genau eine solche gemeinsame Schnittstelle funktionieren kann. Während iOS, watchOS und tvOS auf UIKit setzen, nutzen macOS-Apps das AppKit. Eine Portierung des gesamten Frameworks auf Mac wäre daher erforderlich, um iOS-Apps auf den Mac zu bringen. Dass dies grundsätzlich möglich ist, zeigt die Fotos App, denn hierbei handelt es sich um eine 1:1 Umsetzung, die mit UXKit auf den Mac portiert wurde. Intern scheint der Umstrukturierungsprozess bereits in vollem Gange zu sein, wie GIGA unter Berufung auf Bloomberg berichtete, denn eine einheitliche Grundlage, auf der die Apps aufbauen ist zwingend erforderlich. Dies muss allerdings mit der Tatsache einhergehen, dass sich die Oberflächen für die Endgeräte nach wie vor unterscheiden. Es wäre auch denkbar, dass die Umstrukturierung bereits ein erster Schritt in Richtung einer generellen Verschmelzung der Plattformen ist. So ist in diesem Zusammenhang auch ein MacBook Pro mit Touchscreen denkbar, dass sich ebenso einfach bedienen lässt wie ein iPad oder iPhone. Wie eingangs erwähnt, hat Apple einer derartigen Verschmelzung aber bereits eine Absage erteilt. Wie viel diese Absage im kommenden Jahr noch Wert ist, bleibt aber abzuwarten.

Vor- und Nachteile der Pläne

Bereits vergangene Updates wie iOS 11 haben gezeigt, dass sich MacOS und iOS stetig annähern. Der Gedanke, alle Apps, Spiele und Tools an einem zentralen Ort wie dem Mac verwalten und auch nutzen zu können ist sehr verlockend.

Vorteile

Durch eine einfachere Möglichkeit für Entwickler, ihre Apps auf allen Systemen bereitstellen zu können, könnte dieser Traum schon bald Realität sein. Dies würde zwangsläufig auch das Apple-Gesamtpaket für viele Entwickler – Spieleentwickler eingeschlossen – deutlich interessanter machen. Auch der stiefmütterliche MacOS App-Store würde damit der Vergangenheit angehören. Fraglich ist hier, ob sich auch die Preise angleichen, denn bisher sind MacOS App-Portierungen deutlich teurer als das Pendant auf iOS. Auch für das iOS könnte eine Annäherung der Systeme und gemeinsame Apps langfristig zu sinnvollen Verbesserungen führen, wie beispielsweise verschiedene Ansichten und das Trennen von privatem und beruflichen Content auf dem iPhone.

Nachteile

Doch auch wenn die Verschmelzung auf den ersten Blick logisch erscheinen mag, besteht die strikte Trennung auch aus einem bestimmten Grund. Denn die Trennung und die damit einhergehende Konzentration auf nur wenige Geräte bringt softwareseitig enorme Vorteile. Mit einer Zusammenführung müssten Apps zukünftig auf deutlich mehr Geräten getestet werden, was für reine iOS-Entwickler deutliche Nachteile mit sich bringt. Eine gänzlich neue, vorher nicht benötigte Bedienphilosophie bei jeder App umsetzen zu müssen, kann sich für viele Apps zum Desaster entwickeln. Schliesslich möchte auch niemand eine riesige Flut schlecht umgesetzter MacOS Apps, die eigentlich für iPad oder iPhone entwickelt wurden. Auch für kleine Softwareentwickler würden sich die Einstiegshürden enorm vergrössern.

Auf der anderen Seite könnten auch Features der einen Plattform auf der anderen störend sein. Beispielsweise ist die komplette Datenhierarchie am Mac sinnvoll, würde am iPhone aber durchaus zu Problemen und Einbussen im Bedienkomfort führen.

Schlussfolgerung

MacBook Pro und iPad
Verschmelzung oder Kompromiss? – Quelle: Pixabay

Zwar erweckt es ganz den Anschein, als nähere Apple mit dem Projekt Marzipan beide Systeme weiter aneinander an, es könnte letztendlich aber auch “nur” genau der Kompromiss sein den es braucht, um Apps auf beiden Plattformen verfügbar zu machen, ohne Einbussen auf der einen oder anderen Plattform hinnehmen zu müssen. Was genau die derzeitigen Pläne für Entwickler bedeuten, könnte schon im Juni klarer werden, denn es wird erwartet, dass Apple auf der WWDC im Juni weitere Details an die Öffentlichkeit bringt. Gegebenenfalls im Zusammenhang mit dem Release von iOS 12 und macOS 10.14.

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